
Rezensions-Doppel Philippinen
Die Philippinen sind in diesem Jahr das Gastland der Frankfurter Buchmesse und wir hatten hier auf dem Blog eine Zeit lang eine Tradition, zur Buchmesse dann auch ein paar Krimis aus oder über das Gastland zu präsentieren. Das wollte ich dieses Jahr gerne wieder aufgreifen, war allerdings nicht so einfach, denn der bevölkerungsreiche asiatische Inselstaat ist literarisch international, was Übersetzungen betrifft, eher unterrepräsentiert und im Krimigenre sowieso. Letztlich habe ich auf meinem umfangreichen SuB aber noch etwas gefunden. Zum einen ein erst von kurzem übersetztes Werk des in seiner Heimat sehr erfolgreichen Autors Jose Dalisay und zum anderen ein Krimi aus den 1980ern mit Schauplatz Manila des australischen Autors William Marshall.
Jose Dalisay | Last Call Manila
Ein Sarg trifft am Flughafen Manila ein. Eine tote philippinische Gastarbeiterin in Saudi-Arabien. Das Schild sagt, in ihm liegt „Aurora V. Cabahug“. Doch der Polizist Walter Zamora in der Provinzstadt Paez, der ein Telegramm erhält, um die Angehörigen zu informieren, weiß sofort: Das kann nicht stimmen. Denn Aurora, genannt Rory, ist die Sängerin und Hauptattraktion im „Flame Tree“, im örtlichen Nachtclub. Dort hat er sie erst gestern quicklebendig gesehen.
Und so macht sich Walter auf, um hier Licht ins Dunkle zu bringen – auch wenn ihm nur bedingt gelingt. Irgendwann machen sich Walter und Rory auf nach Manila, um den Sarg abzuholen und dabei geschehen weitere unvorhergesehene Dinge. Währenddessen wird in Rückblicken die Geschichte von Soledad erzählt, Rorys Schwester, die mit dem Pass ihrer Schwester als Arbeitskraft nach Saudi-Arabien gegangen und nun in einem Sarg zurückgekommen ist.
Das war es, worum es in diesem Land wirklich ging: Distrikte, Grenzen, Absperrungen, die dich daran erinnerten, wo du hingehörtest und wo du standest. Diese Dinge zu vergessen, war der Anfang vom Ende, und Walter hatte nicht vor, noch einmal diesen Weg zu gehen, Besonnenheit war nun seine Parole, Besonnenheit und Umsicht, das Vermeiden von unnötigen Konflikten – von denen es, Gott wusste das am besten, mehr als genug gab in Walters Welt. (Auszug Seite 88)
Autor Jose Dalisay ist in seiner Heimat einer der bekanntesten Autoren und Herausgeber und schrieb diesen Roman bereits 2008. 2023 erschien „Last Call Manila“ in deutscher Übersetzung, laut Tobias Gohlis, Chefjuror der Krimibestenliste, der vermutlich erste übersetzte philippinische Kriminalroman. Obwohl man den Begriff schon weit dehnen muss, zwar kommt ein Kriminalbeamter, eine Leiche und eine Reihe von Verbrechen vor, aber ansonsten geht es hier eher nicht genretypisch zu.
Aber das soll hier nicht als Kritik gemeint sein. Lakonisch und mit schwarzem Humor erzählt der Autor über den schwierigen Alltag, vor allem über seine Hauptfiguren. Walter ist ein besonnener, abgestumpfter Polizist, der sich möglichst konfliktfrei durchs Leben manövrieren will. Rory ist die junge Frau mit Talent und Träumen, die es aber bisher nur in den Nachtclub ihrer Heimatstadt geschafft hat. Und Soledad erzählt vom unglaublich entbehrungsreichen Leben der Filipinos, die im Ausland harte Arbeit verrichten, um die Daheimgebliebenen zu versorgen. Mit möglichem bösem Ende inklusive. Jose Dalisay hat hier einen kurzweiligen Roman verfasst, der interessante Einblicke in die philippinische Gesellschaft bietet.
William Marshall | Manila Bay
Lieutenant Felix Elizalde von der Manila Metro Police muss in einem schwierigen Mordfall ermitteln. Während eines Hahnenkampfes mit dem bekannten Champion „Battling Mendez“, dem wohl bekanntesten Hahn der Philippinen und ein lukrativer Werbeträger, hat ein Unbekannter den Kampfleiter und Buchmacher im Ring erschossen. Trotz hunderter Zeugen gibt es zwar eine Beschreibung, aber keine klaren Hinweise auf die Identität des Täters. Der Tote gehörte zu einem Konsortium, dem „Battling Mendez“ gehörte. Hierzu zählt auch der Bruder des Toten, der sich bei einem Telefonat mit Elizalde seltsam verhält. Doch bevor Elizalde ihn aufsuchen kann, wird auch der Bruder durch eine Granate getötet, die auf seine Wohnung abgefeuert wird, mehrere Passanten sind ebenfalls unter den Opfern. Elizalde vermutet, dass noch weitere Personen in Gefahr sind und dass es mit der Verbindung zu „Mendez“ zu tun hat. Doch das Firmengeflecht rund um diesen lukrativen Hahn ist schwer zu durchschauen und wird auch von anderer Seite gut geschützt.
Wie üblich war der uninteressanteste Teil an einem Verbrechen in Manila das Verbrechen selbst. Wahrhaft faszinierend war es, wie sich die Zeugen in Luft auflösten, sobald etwas passierte, und nie wieder gesehen wurden. (Auszug S. 30)
Währenddessen haben Elizaldes Untergebene Sergeant Baptiste Bontoc und Detective Sergeant Jesus-Vicente Ambrosio zwei Spezialaufgaben. Während Bontoc abkommandiert wurde, um vermeintlich japanischen Grabräuber in einem Dinosaurierpark, unter dem noch Kriegsgräber aus dem zweiten Weltkrieg vermutet werden, aufzuspüren, mischt sich Ambrosio unter die Taxifahrenden Manilas, denn es gibt einen Räuber, der mit Hilfe von Stinkbomben der Durianfrucht Taxis ausraubt.
Diese beiden Episoden, die sich regelmäßig mit der Mordserie, die Elizalde bearbeitet, ablösen, sorgen für Exzentrik und Humor in diesem Kriminalroman, der im Original bereits 1983 erschien. Autor William Marshall, Australier, aber Kosmopolit, schrieb vor allem eine erfolgreiche Reihe von Krimis mit Schauplatz Hongkong, aber eben auch zwei Krimis über Manila. Marshall sorgt durch die mehreren Plotstränge für ein hohes Erzähltempo und viel Abwechslung, schafft es aber zum Ende hin, die beiden Stränge um Bontoc und Ambrosio so zu beenden, dass danach alle Beteiligten zum Showdown des Hauptplots zusammenkommen.
„Manila Bay“ ist aktuell leider vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich, ist aber auch heute noch ein absolut lesenswerter Krimi, der letztlich einen klassischen Plot über Korruption und Rache enthält, aber trotz seines hohen Tempos und der schnellen Schnitte interessante Geschichten und Einblicke in die philippinische Gesellschaft bereithält.
Rezensionen und Foto von Gunnar Wolters.
Last Call Manila | Erschienen am 14.02.2023 im Transit Verlag
ISBN 978-3-88747-399-0
210 Seiten | 22,- €
Die gelesene Ausgabe erschien als Lizenzausgabe bei der Büchergilde Gutenberg
Originaltitel: Soledad’s Sister | Übersetzung aus dem Englischen von Nico Fröba
Bibliografische Angaben & Leseprobe
Wertung: 3,5 von 5
Manila Bay | Erschienen am 07.09.2000 im Unionsverlag
ISBN: 978-3-293-20190-3;
288 Seiten | nur noch antiquarisch erhältlich
Originaltitel: Manila Bay | Übersetzung aus dem Englischen von Anke Caroline Burger
Bibliografische Angaben
Wertung: 4 von 5