Tag: 29. Februar 2020

Julia Bruns | Eiskalte Ostsee Bd. 1

Julia Bruns | Eiskalte Ostsee Bd. 1

„Immer wieder gaben die Wellen seinen Kopf und den Oberkörper frei, um beides kurz darauf wieder zu überspülen. War sein Gesicht vollständig vom kalten Wasser der Ostsee bedeckt, glänzten seine offenen Augen wie große eisblaue Kristalle. Zog sich die See zurück, blieb nur der starre, ausdruckslose Blick eines alten toten Mannes, dessen bleiches Antlitz von einer Gänsehaut überzogen war und seltsam aufgequollen und runzelig wirkte.“ (Auszug Seite 26)

Am Neujahrsmorgen wird im Ostseebad Sellin auf der Insel Rügen eine Leiche am Strand nahe der Seebrücke von einem Pensionsbesitzer gefunden. Es handelt sich um den Ehrenbürger der Gemeinde, Peter Klart, der offensichtlich einen Schlag auf den Kopf bekommen hat und dem die Zunge abgeschnitten wurde. Hauptkommissarin Anne Berber nimmt die Ermittlungen auf und stößt schon bald auf die Vergangenheit des Opfers, nämlich seine Arbeit in einem ZK-Erholungsheim in der DDR (Anmerkung: Erholungsheim des Zentralkomitees der SED). Anne holt sich außerdem Rat bei dem Pensionsbesitzer Sören Hilgert, der bis vor zwei Jahren noch beim LKA gearbeitet hat. Gemeinsam finden sie heraus, dass die Lösung aber noch vor der Zeit der DDR liegt.

Zu schneller Abschied von Sellin

Eiskalte Ostsee von Julia Bruns ist der erste Küsten-Krimi der Autorin. Die Geschichte liest sich meiner Meinung nach leicht und flüssig und ist insgesamt kaum blutig, bis auf die abgetrennte Zunge des Opfers. Beim Lesen gab es für mich keine Längen, die Handlung wird in einem genau richtigen Tempo erzählt, trotzdem hätte ich mir einige Seiten mehr gewünscht, da mir die Protagonisten sehr sympathisch sind und der Schauplatz toll beschrieben ist.

Authentische Protagonisten

Anne Berber ist Anfang vierzig, hat sich aus persönlichen Gründen vor einigen Jahren von Stralsund in das beschauliche Bergen auf der Insel Rügen versetzen lassen und steht kurz vor der Scheidung. Sören Hilgert ist Anfang fünfzig und hat vor zwei Jahren die Pension „Seevilla“ in Sellin übernommen, da er nicht mehr beim LKA in Berlin arbeiten wollte. Mit der Leiche von Klart kommt aber das „Jagdfieber“ wieder in ihm durch und er kann es nicht lassen, selbst Nachforschungen zum Opfer anzustellen. Beide Protagonisten sind sehr authentisch, wie ich finde. Ich hoffe sehr, dass es von den beiden zukünftig noch weitere Fälle gibt.

Zweiter Weltkrieg und DDR

Auf dem Klappentext wird bereits angedeutet, dass es sich bei der Lösung des Falls um offene Wunden handelt, die der Zweite Weltkrieg hinterlassen hat. Die Ermittlungen decken aber in erster Linie auch Machenschaften der DDR auf. Diesen Teil der deutschen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg, der das Mordmotiv stellt, kannte ich tatsächlich gar nicht und so habe ich neben toller Unterhaltung auch noch etwas gelernt.

Fazit: Toller Schauplatz, tolle Ermittler, toller Krimi. Gern mehr davon!

Julia Bruns studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie an der Universität Jena. Nach ihrer Promotion im Fach Politikwissenschaft arbeitete sie viele Jahre als Redenschreiberin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Heute lebt sie als freie Autorin in Thüringen.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Einskalte Ostsee | Erschienen am 22. August 2019 im emons Verlag
ISBN 978-3740806125
272 Seiten | 10,90 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Artikel vom 25. September 1989 auf spiegel.de zum Erholungsheim des Zentralkommitees der SED