Top 5 des Jahres 2016 | Andy

Top 5 des Jahres 2016 | Andy

Auch zum Ende des Jahres 2016 musste ich feststellen, dass meine Vorliebe für die skandinavische Krimi-Literatur anhält. Was das über meinen Gemütszustand aussagt, dass mich immer wieder depressive oder sperrige Protagonisten mit düsteren Stimmungen im Dauerregen faszinieren, kann man nur vermuten. Jo Nesbø, Arne Dahl oder auch Joakim Zander haben mir unterhaltsame Stunden bereitet. Interessanterweise gehen aber meine Top 5 teilweise in eine ganz andere Richtung.

 

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The Dry von Jane Harper

Ein absolutes Highlight war für mich The Dry von Jane Harper. Das Thriller-Debüt der australischen Journalistin zog mich von der ersten Seite mit ihrer bildgewaltigen, poetischen Sprache in den Bann. Im Mittelpunkt steht die große Jahrhunderthitze, unter der Mensch und Tier in einem kleinen australischem Kaff leiden, und die die Autorin perfekt einfängt.

Der Steuerfahnder Aaron Falk kehrt aus Melbourne in seine alte Heimatstadt zur Beerdigung seines Jugendfreundes zurück. Dieser soll in einem erweiterten Suizid sich und seine Familie getötet haben. Falk sieht sich genau wie vor 20 Jahren Verdächtigungen und Anfeindungen gegenüber, als man ihn für den ungeklärten Tod seiner Jugendfreundin verantwortlich machte.

Dieser Thriller ist im besten Sinne ein Krimi alter Schule, bei dem der Leser miträtseln kann, ob es einen Zusammenhang zu der damaligen Tragödie gibt. Die Charaktere sind gut durchdacht und absolut authentisch. Es geht um Freundschaft, Heimat und Lüge.

 

Die Schuld der anderen von Gila Lustiger

Das Debüt der Frankfurter Germanistin greift auf einen real existierenden Wirtschafts- und Politskandal in der Chemieindustrie der 80er Jahre zurück. Aufgedeckt wird das von einem integeren Journalisten, der eigentlich einem länger zurückliegenden brutalen Prostituiertenmord nachgeht.

Marc Rappaport, Sohn eines jüdischen Intellektuellen und der Tochter eines Großindustriellen, hat hohe Ideale und ist auf Enthüllungsgeschichten spezialisiert. Er legt sich mit jedem an, als er bei seinen Recherchen in der Provinz herausfindet, dass ein Konzern jahrelang krebserzeugende Stoffe einsetzte, und die Erkrankungen der Mitarbeiter wissentlich in Kauf nahm.

Gila Lustiger hat ihren anspruchsvollen Politthriller in ihrer Wahlheimat Paris angesiedelt. Mit ihrer guten Beobachtungsgabe auf Frankreichs Eliten und die von Gewalt und Armut geprägten Banlieues gelingt ihr das Kunststück, viele Themen in dem komplexen Plot unterzubringen, ohne den spannenden Kriminalfall aus den Augen zu verlieren. Damit ist der Autorin ein großer Gesellschaftsroman gelungen, sprachlich auf hohem Niveau.

 

Der Schwimmer von Joakim Zander

Der schwedische Schriftsteller Joakim Zander stellt eine junge dynamische EU-Referentin in den Mittelpunkt seines rasanten Debüts.

Als Klara Walldéen einem Freund aus Studientagen helfen will, der an brisante, politische Informationen gekommen ist und unverschuldet in einen Mord verwickelt wird, geraten beide in die Schusslinie diverser Geheimdienste. Helfen kann nur noch ihr Vater, ein amerikanischer, traumatisierter Agent, der vor 30 Jahren im Nahen Osten mit ansehen musste, wie seine Frau durch eine ihm geltende Autobombe ums Leben kam.

Dass Politik wirklich so schmutzig sein kann, mag man sich gar nicht vorstellen, aber der Autor verfügt zumindest über reichlich Insiderwissen, da er unter anderem für das Europäische Parlament gearbeitet hat. Band 2 der Klara Walldéen-Reihe – Der Bruder – liegt bereits auf meinem SUB.

 

Das Haus der verlorenen Seelen von Britta Bolt

Dies ist der zweite Band um den ungewöhnlichen Ermittler Pieter Posthumus, der bei der Stadt Amsterdam für würdevolle Beerdigungen anonymer Leichen zuständig ist.

Der empathische PP wird diesmal Zeuge eines brutalen Gewaltverbrechens im Rotlichtmilieu. Die schrullige Pensionswirtin Marloes, die seit Jahren gestrandeten jungen Menschen eine Bleibe gibt, soll ausgerechnet ihren Lieblingsschützling, den ehemaligen Junkie Zig ermordet haben. PP, mit seinem untrüglichen Gespür für Unstimmigkeiten, geht der Sache auf den Grund.

Das Autorenduo Britta Böhler und Rodney Bold haben ihre Wahlheimat Amsterdam mit den vielen Brücken, Grachten, Kneipen und Kaffeehäusern und auch den weniger sehenswerten Teilen zum Hauptdarsteller gemacht und wirklich ein Händchen für skurrile Figuren, die bis in die Nebenrollen liebevoll und lebensecht ausgearbeitet sind. Genau wie der erste Band hebt sich auch dieser leise, kluge Roman wohltuend vom Krimieinerlei ab, ist weniger Thriller, sondern mehr Milieustudie mit Krimielementen und spart nicht mit Gesellschaftskritik.

 

Sieben minus eins von Arne Dahl

Trotz meiner Schwäche für schwedische Krimis hatte ich noch nichts von dem Bestseller-Autor Arne Dahl gelesen. Nach seiner erfolgreichen A-Serie handelt es sich hier um den spannenden Auftaktband einer neuen Serie um das Ermittler-Duo Sam Berger und Molly Blom.

Ohne große Einleitung findet man sich bei einer Polizeiaktion in einem schaurigen Keller wieder. Hier sucht die Kripo erfolglos nach einem verschwundenen 15-jährigen Mädchen. Für Kriminalkommissar Sam Berger verdichten sich die Hinweise, dass sie nicht der einzige vermisste Teenager ist und dass man es mit einem Serientäter zu tun hat.

Der spannende Plot wartet immer wieder mit vielen furiosen Wendungen und grausigen Einfällen auf, allein die Einführung von Molly Blom, einer Agentin der Sicherheitspolizei ist ein solcher Überraschungsmoment. Ein Autor, der sein Handwerk versteht, denn ich flog nur so durch die Seiten. Es hätte gar nicht des furiosen Cliffhangers am Ende bedurft, dass ich auch zur Fortsetzung greifen möchte.

 

Interessant finde ich, dass es drei Krimi-Debüts sind und einmal ein Auftakt zu einer neuen Serie. Ich hoffe, 2017 bringt uns lesetechnisch auch wieder viel Neues!

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