Sam Eastland | Roter Schmetterling

Sam Eastland | Roter Schmetterling

Sommer 1941: Hitlers Truppen marschieren scheinbar unaufhaltsam voran, über Russland wird ein deutsches Aufklärungsflugzeug abgeschossen. Darin findet sich ein Gemälde, das auf den ersten Blick einen großen Nachtfalter darstellt. Doch Inspektor Pekkala erkennt in dem Gemälde einen getarnten Grundriss der Zarenresidenz im ehemaligen St. Petersburg. Daraufhin argwöhnt Stalin, dass es die Deutschen auf das legendäre Bernsteinzimmer abgesehen haben, und schickt Pekkala in die belagerte Stadt.

Roter Schmetterling (Original The Red Moth) ist inzwischen schon der vierte Teil von Sam Eastlands Krimireihe um seinen Sonderermittler mit Schattenpass Inspektor Pekkala. Diejenigen, die unserem Blog folgen, wissen, dass ich nicht nur Fan von seinen Romanen bin, sondern mich auch sehr für die Rahmenthemen Russland, Ukraine und Osteuropa begeistern kann. Insofern dürfte es nicht überraschen, dass ich auch vom vierten Teil der Serie, der auf gleichbleibendem sprachlichem Niveau geschrieben wurde, angetan war.

Inzwischen befinden wir uns im Jahr 1941 und damit mitten im zweiten Weltkrieg. Russlands Grenzgebiete werden zunehmend von Hitlers Truppen eingenommen, sodass das einstige Zarenreich an Stärke verliert. Im Sommer dieses Jahres stürzt in der Nähe des Katharinenpalastes ein deutsches Flugzeug ab, welches eine brisante Fracht an Bord hat: das Gemälde eines schwarzen Falters, welches einen codierten Plan der damaligen Zarenresidenz verbirgt. Pekkala erkennt dies nicht auf Anhieb; zu Hilfe kommt ihm der inhaftierte Kunstexperte Valeri Semykin, der ihn wiederum an Genossin Tschurikowa weiterverweist, welche eigentlich schon gemeinsam mit ihrem Bataillon auf dem Transport an die Front war und eher unwillig ist, das Büro für Besondere Operationen des NKWD zu unterstützen. Da sich jedoch bald herausstellt, dass es sich bei der Karte nicht um das Anwesen des ehemaligen Zaren im Allgemeinen sondern um das Bernsteinzimmer im Besonderen handelt, brennt auch sie bald für die Aufgabe, Pekkala auf seiner Reise dorthin zu begleiten, um die Deutschen davon abzuhalten, das Bernsteinzimmer als eines der größten Kulturgüter Russlands für Hitlers privates Museum zu rauben.

In einem zweiten Handlungsstrang erleben wir den Soldaten Stefanow, der einst als Sohn des ersten Gärtners des Zaren, auf dem Anwesen der Zarenfamilie lebte und – natürlich aus der Distanz – das feudale Leben von Zar Nikolaus II und seiner Familie erlebte. Doch ebenso wusste er um den geheimnisvollen Finnen Pekkala alias Das Smaragdauge, welcher ebenfalls vor mehr als zwanzig Jahren dort in einem kleinen Häuschen lebte. Man sagte über ihm, alleine, weil er Finne ist, dass er sich unsichtbar machen kann und über weitere magische Kräfte verfügt. Somit umweht ihn aus Sicht Stefanows natürlich eine ganz besondere Aura. Im Gegensatz zu Stefanow, der als junger Bursche einen Leitersturz fabrizierte, um das berühmte Bernsteinzimmer in Augenschein zu nehmen, hatte Pekkala als Vertrauter des Zaren mehr oder weniger freien Zugang zu diesem besonderen Raum. Die Verbindung dieser zwei Leben ist somit sehr schön hergeleitet und es überrascht nicht, dass Pekkala und Stefanow aufeinander treffen und sie sich gemeinsam mit Genossin Tschurikowa auf den Weg nach Leningrad (vor 1924 Petrograd, vor 1914 und ab 1991 St. Petersburg) machen, um das Bernsteinzimmer zu retten.

Was diesen Roman von den bisherigen drei Teilen ganz klar unterscheidet, sind die ausführlichen Beschreibungen der Kriegsereignisse im Detail. Insbesondere bei Einführung der Figur Stefanows wird der Beschuss des Katharinenpalastes sowie ein weiteres Grenzgefecht zwischen einer russischen und einer vermeintlich deutschen Einheit sehr genau geschildert. Dass Pekkala von seinem direkt zugeteilten Major Kirow getrennt ermittelt, das gab es bereits zuvor in Sibirisch Rot. Auch von Kirows Einsätzen in Moskau in gleicher Sache wird berichtet, jedoch liegt das Augenmerk ganz klar auf der großen Mission Pekkalas. Weiterhin war Roter Schmetterling weniger von brutalen Einzelhandlungen durchzogen wie noch der vorangegangene Roman Sibirisch Rot. Natürlich erlebt der Leser die Grausamkeit des Krieges, doch wirkte diese in Schilderung anders auf mich als gezielte sadistische Akte unter zum Beispiel Gefangenen.

Sehr interessant fand ich die angehangenen Fakten zum Bernsteinzimmer, welche ich bereits zwischendurch gelesen habe. Ab Seite 405 findet sich eine Zeittafel zum Bernsteinzimmer sowie auf Seite 410 und 411 eine kurze Abhandlung zum Verbleib des Bernsteinzimmers, welche tatsächliche Theorien auflistet.

Sam Eastland hat einen gewohnt spannenden Roman abgeliefert, der das Thema Zarenfamilie erneut interessant und faktenreich mit einbezieht. Natürlich glänzt auch Stalin als Auftraggeber wieder mit seiner stets verlässlichen unfreundlichen bis despektierlichen Art. Wer Teil 1 bis 3 oder einen der drei bisher erschienen Teile mochte, sollte sich Teil vier nicht entgehen lassen. Wer neu in die Serie einsteigen möchte, dem würde ich das chronologische Lesen der Fälle empfehlen, wie eigentlich bei allen Serien. Besonderheiten wie Pekkalas Schattenpass, sein Beiname Das Smaragdauge und seine Stellung sowie das Büro für Besondere Operationen werden nicht erneut ausführlich erklärt. Daher empfiehlt es sich, am Anfang zu beginnen.

 

Roter Schmetterling | Erschienen am 1. Juni 2015 bei Droemer Knaur
416 Seiten | 9,99 Euro
ISBN 978-3-426-51543-3
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Interview mit Sam Eastland (engl.)

Diese Rezension erscheint im Rahmen des .17specials Osteuropa.

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