Oliver Harris | Nick-Belsey-Reihe Bd. 1-3

Oliver Harris | Nick-Belsey-Reihe Bd. 1-3

London Killing | London Underground | London Stalker

London Killing

Detective Constable Nick Belsey lauschte auf die entfernten, leisen Geräusche. Er konnte noch einzelne Autos unterscheiden, das hieß, es war noch vor sieben. Die Erde unter seinem Körper war kalt. Er hatte Dreck im Mund, und es roch nach Blut und verfaulter Baumrinde. (Auszug Seite 7)

Bereits mit seinem unkonventionellen Thriller-Debüt London Killing fesselte mich der damals 34-jährige Brite Oliver Harris von der ersten Minute an. Hier wacht Nick Belsey nach einer durchfeierten Nacht mit einem kompletten Filmriss in einem Park in London auf. Dem hochverschuldeten und obdachlosen Detective Constable der Londoner Polizei ist sofort klar, dass er verschwinden muss. Der Selbstmord eines reichen russischen Geschäftsmannes in seinem Bezirk scheint die Lösung all seiner Probleme zu sein: Belsey beschließt die Identität des Oligarchen anzunehmen und plant seinen Abgang. Nicht die beste seiner Entscheidungen, denn schnell findet er sich in einem Strudel aus Lügen, Betrug und Korruption wieder.

Mit dem ambivalenten Charakter des smarten Nick Belsey hat Oliver Harris eine Kultfigur geschaffen, die sicher polarisiert. Doch ich mochte den frech dreisten, verzweifelten Underdog, der mit Spiel- und Tablettensucht und der Dienstaufsicht kämpft. Das ganze kommt in einem derart rasantem Tempo und immer wieder überraschenden Wendungen daher, dass man gar keine Zeit hat, sich über das verwerfliche Verhalten der Hauptfigur zu empören. DC Nick Belsey ist keiner von den Bösen, einfach ein Kind der Verhältnisse und immer um die Aufklärung der Verbrechen bemüht. Bis zum spannenden furiosen Finale bangt man mit ihm, ob er sich noch rechtzeitig absetzen kann.

Dem Autor gelingt mit detaillierten Beschreibungen der Schauplätze, die Atmosphäre der Stadt einzufangen. Ständig treten neue Figuren in diesem vielschichtigen Plot auf. Auch die Randgestalten aus der Londoner Society sowie der Welt der kleinen Leute sind keine Stereotypen, sondern werden liebevoll genau beschrieben. Die Vielzahl der Protagonisten kann manchmal etwas verwirren und es mutet auch etwas unrealistisch an, wenn der eigentlich suspendierte Nick praktisch ohne Dienstauftrag in den unterschiedlichsten Revieren rein und raus spaziert, während sich sonst niemand so richtig für den Vermisstenfall zu interessieren scheint. Davon ab mochte ich den mit typisch britischem Humor versehenen Thriller sehr.

London Killing | Erstmals erschienen am 27. Februar 2012 im Karl Blessing Verlag
Die Taschenbuchausgabe erschien am 10. Juni 2013 bei Heyne
ISBN 978-3-453-43717-3
480 Seiten | 9,99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Kategorie: Thriller
Wertung: 4.0 von 5.0

 

London Underground

„Ich habe Grund zu der Annahme, dass jemand da unten drin ist. Ich bin reingegangen, weil ich dachte, dort befände sich jemand in Lebensgefahr.“
Noch während die Worte über seine Lippen kamen, versuchte Belsey sich über seine neue Strategie klar zu werden. Offenbar begab er sich auf einen Pfad der Halbwahrheit. Ein unvermeidbares Risiko. Er musste seine Anwesenheit in der Bibliothek erklären und gleichzeitig dafür sorgen, dass etwas unternommen wurde. Trotzdem: Gerade hatte er eine Tür geöffnet, die er nicht wieder schließen konnte. (Auszug Seite 80)

Mind the Gap

Auch im zweiten Band London Underground schafft es der coole Antiheld mit ungewöhnlicher Dienstauffassung und lockerer Moral mal wieder, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Der smarte Nick säuft, kokst, wohnt in einem Hotel, ist aber trotz allem ein guter Ermittler. Bei der Verfolgung eines Verdächtigen durch die Londoner Innenstadt entdeckt er zufällig einen Einstieg in ein Tunnelsystem unter den Straßen der Metropole. Neugierig steigt er immer tiefer in das Labyrinth runter und stößt dabei auf alte Schutzbunker. Diese sind vollständig mit Möbeln aus den 80er Jahren eingerichtet und beherbergen einen großen Vorrat an Medikamenten und Alkohol. Typisch für den windigen Detective beschließt er, sich erst mal selbst zu bedienen und den Rest zu verkaufen. Außerdem ist das doch die passende Location, um seine neue Flamme, die 22-jährige Studentin Jemma zu beeindrucken. Doch bei dem Date verschwindet Jemma plötzlich und Nick findet nur noch ihre Handtasche.

Scheinbar wurde sie entführt und nach einer endlosen Verfolgungsjagd durch ewig lange Tunnel kommt Belsey schließlich in der Britischen Nationalbibliothek wieder an die Erdoberfläche. Der wahnsinnige Entführer nennt sich Ferryman und droht per E-Mail mit der Ermordung Jemmas. Belsey sucht auf eigene Faust nach der Studentin, damit er nicht selbst in das Zentrum der Ermittlungen rückt.

Unter Londons Straßen lauert die Rache

Nick findet heraus, dass Ferryman der Name eines nie enttarnten, russischen Spions zu Zeiten des Kalten Krieges war. Weitere Recherchen deuten auf eine Rachegeschichte hin, die bis in diese Zeit zurückreicht. Als seine neue Vorgesetzte Kirsty Craik, mit der er mal was hatte, auch noch verschwindet, gerät Belsey in die Schusslinie. Er hat nun nicht nur den Geheimdienst, sondern auch noch die eigenen Kollegen auf den Fersen. Wie bei einem Puzzle muss der Detective Rätsel um Rätsel lösen und kommt dabei nur in kleinen Schritten weiter. In der Mitte fand ich das etwas ermüdend und ich habe auch leider einige Male den Faden verloren. Trotzdem ist es spannend, wie aus der einfachen Entführungsgeschichte ein echter Geheimdienstthriller wird. Der Leser bleibt atemlos an den Figuren dran, die durch die gesamte Londoner Unterwelt stolpern und staunt immer wieder über überraschende Wendungen in diesem klugen, temporeichen Plot.

Mit den Luftschutzbunkern und Verbindungstunnel, die die britische Regierung zum Schutz der Bevölkerung in den 50er Jahren errichtete, hat Oliver Harris ein beeindruckend beklemmendes Setting gewählt und gleich ein ganzes Tunnelsystem daraus gemacht. Die Klaustrophobie in den Tunneln ist auf jeder Seite spürbar.

Der Autor Oliver Harris bezeichnet sich selbst als Untergrund-Nerd, denn seit seiner Jugend ist er fasziniert vom Tunnelsystem der britischen Metropole. Für seinen Thriller hat er akribisch recherchiert, und den Bunkereingang in Belsize Park gibt es tatsächlich. Da die meisten Anlagen aber nicht öffentlich zugänglich sind, ist das meiste reine Spekulation und seiner Phantasie entsprungen.

London Underground | Erstmals erschienen am 29. September 2014 im Karl Blessing Verlag
Die Taschenbuchausgabe erschien am 12. Oktober 2015 bei Heyne
ISBN 978-3-453-41910-0
448 Seiten | 9,99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Kategorie: Thriller
Wertung: 3.5 von 5.0

 

London Stalker

„Sie haben ja keine Vorstellung“, sagte sie, „von der Situation, in der ich mich gerade befinde.“
Belsey seufzte. Er stand auf und ging zur ihr ans Wasser. „Amber, in nicht einmal vierzehn Tagen werde ich wegen groben Fehlverhaltens im Dienst angeklagt. Ein paar Wochen später werde ich eine sieben- bis achtjährige Freiheitsstrafe antreten. Für einen Expolizisten ist das Gefängnis kein angenehmer Ort. Wir haben es also beide derzeit mit schwierigen Situationen zu tun. Sie verstehen schon. Man darf nie die Scheiße unterschätzen, in der andere Menschen stecken.“ (Auszug Seite 67)

Ein durchgeknallter Stalker

Im dritten Band London Stalker ist Nick endgültig ganz unten angekommen. Wer die beiden vorherigen Bände gelesen hat, wundert sich nicht, dass er inzwischen aufgrund diverser Fehlverhalten suspendiert wurde und ein internes Ermittlungsverfahren vor sich hat. Er findet Unterschlupf in seinem alten Polizeirevier in Hampstead, das seit einiger Zeit leer steht. Umso überraschter ist er, als eine ältere Dame an der verlassenen Wache anklopft und explizit Nick Belsey um Hilfe bittet. Ihr 41-jähriger Sohn, der noch bei ihr wohnt, ist seit einigen Tagen verschwunden. Die Polizei will noch nichts unternehmen, doch Nick hat Mitleid mit der leicht verwirrten und verwahrlost wirkenden Frau und will sich die Sache mal angucken. Bei ihr zu Hause entdeckt der Detective Constable in Marks Zimmer eine Art Schrein für den bekannten Pop- und Filmstar Amber Knight, Englands total angesagtes It-Girl. Er findet auch Hinweise darauf, dass er es mit einem durchgeknallten Stalker zu tun hat.

Schicki-Micki-Umfeld Hampstead

In typischer Nick-Belsey-Manier schleust er sich als Security-Mitarbeiter in Ambers Luxus-Villa ein. Hier wimmelt es von Filmleuten, denn die bevorstehende Hochzeit von Society-Girl Amber mit einem Millionär soll medienwirksam vermarktet werden. Nick begleitet Amber als Bodyguard auf eine Party. Eine ausufernde Party mit Drogen und Alkohol, auf der sich auch Nick amüsiert und sich ein bisschen in Chloe Burlington verguckt, eine aus reichem Hause stammende Freundin von Amber. Als diese noch in der gleichen Nacht ermordet wird, gerät Nick unter Mordverdacht.

Und wieder einmal hat der DC die eigenen Kollegen gegen sich, muss seine Unschuld beweisen und versucht weiter, den vermissten Mark zu finden. Dabei stößt er auf eine geheimnisvolle, obskure Sekte, die ihre Finger mit im Spiel hat. Hier ist der Thriller teilweise zu weitschweifig und etwas weniger pseudo-philosophische Details hätten gut getan.

Oliver Harris nimmt uns in London Stalker mit in die Welt der Reichen und Schönen und wirft einen Blick hinter die Kulissen, aber auch ärmere Ecken Londons werden gekonnt beleuchtet. Der Autor serviert uns hier wieder seinen unkonventionellen Protagonisten als Anti-Helden, der durch einen komplexen, rasanten Plot hetzt. Man erfährt einiges über Belseys Vergangenheit und er zeigt sich melancholischer und auch von seiner weichen Seite, wenn er sich zum Beispiel fürsorglich um die hilflose ältere Dame kümmert.

London Stalker | Erschienen am 13. März 2017 im Karl Blessing Verlag
ISBN 978-3-89667-560-6
368 Seiten | 19,99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Kategorie: Thriller
Wertung: 4.0 von 5.0

Rezensionen und Fotos von Andy Ruhr.

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