Manfred Rebhandl | Der König der Schweine

Manfred Rebhandl | Der König der Schweine

Daran war ich natürlich selbst schuld. Ich wollte ja unbedingt einen Job haben, in dem ich mit Kerlen arbeiten konnte, denn ich mochte Kerle. Ich mochte richtige Kerle wie Johnny aus der Bingobongobar, oder welche, die tagsüber Straßen asphaltieren und nachts schwere Autos fuhren. Solche mit Haaren auf der Brust und keine Sackrasierer. Aber am Bau wollte man mich nicht haben und zum Asphaltieren hatte ich keine rechte Lust. Also blieb mir am Ende nur die Polizei, Abteilung Gewaltverbrechen inklusive Mord. Wie aber hatte ich jemals glauben können, dass mir das Spaß machen würde? (Auszug Seite 12)

In einem Wald bei Wien werden innerhalb kurzer Zeit die Leichen zweier Dunkelhäutiger gefunden. Offenbar ermordet, der Beginn einer Mordserie? Beide waren in einem Flüchtlingsheim untergebracht, in dem einige hemmungslose Gutmenschen ihr Unwesen treiben, wie selbstgemachte Suppen ausschenken und Fashion-Shows veranstalten. Kitty Muhr ist wenig begeistert, dass ihr dieser Fall zugeteilt wird und noch weniger gefällt ihr ihr neuer Partner Ali Khan Kurtalan, der das genaue Gegenteil ihres Männerbildes verkörpert.

Protagonistin und Ich-Erzählerin ist Kitty Muhr, 39, nicht mehr rank und schlank, Alkohol, Tabakwaren und sonstigem nicht abgeneigt, etwas derb im Umgangston, Bulle bei der Wiener Kriminalpolizei. Im Beruf ist sie allerdings nicht gerade ambitioniert, dümpelt auf einer Stelle in einem Stadtbezirkskommissariat herum. Viel mehr macht ihr allerdings zu schaffen, dass auch ihr Liebesleben vor sich hin dümpelt und so stellt sie den ganzen Tag, bevorzugt abends mit ihrer Freundin, der Klatschreporterin Susi, in der Bingobongobar Überlegungen an, wie man an den nächsten Sexualpartner oder wenigstens das nächste Schwanzfoto kommt. Und in diesem Zustand wird Kitty auch noch auf eine Stelle versetzt, in der sie mit dem kurdischstämmigen Ali zusammenarbeiten muss, ein strebsamer, motivierter und integrationswilliger Kollege. Und ihr erster Fall ist ausgerechnet diese merkwürdige Mordserie an dunkelhäutigen Flüchtlingen.

Die österreichische Krimiszene ist durchaus bekannt für Krimis der skurrilen, etwas anderen Art – man denke an den Brenner von Wolf Haas oder den Metzger von Thomas Raab. Auch Manfred Rebhandl steht in dieser Tradition. Seine erste Krimireihe um den Gendarmen Biermösel spielte im Ausseerland, danach folgte die Reihe um den Wiener Schnüffler Rock Rockenschaub. Nun beginnt eine neue Reihe um die chronisch untervögelte (upps, aber sie würde mir zustimmen) Wiener Polizistin Kitty Muhr. Und diese Reihe beginnt alles andere als politisch korrekt. Im Gegenteil, denn Kitty ist derb, und vulgär, die Sprache flapsig und schnoddrig, die Inhalte sexistisch (in beide Richtungen), rassistisch, nonkonformistisch. Über weite Strecken ist das aber durchaus amüsant zu lesen, denn Rebhandl skizziert durch sein überzeichnetes Personal ein aktuelles überspitzt-anarchisches Sittenbild. Denn jeder bekommt hier sein Fett weg: Männer, Frauen, Rassisten, Gutmenschen, Behinderte, Flüchtlinge, Ausländer, Einheimische.

Insgesamt ist Der König der Schweine so etwas wie eine Gesellschaftssatire im Krimigewand. Allerdings muss man den Krimi eine lange Zeit ziemlich suchen und auch am Schluss wurde es nur minimal besser. Das war vom Autor sicher auch bewusst konzipiert, aber ich weiß auch nicht, ob die inhaltliche Konstruktion als Whodunnit das Richtige war, denn die Täterjagd und Aufklärung spielt ja nur eine untergeordnete Rolle. Generell bin solchen, mal ganz anderen Krimis nicht unaufgeschlossen, zumal es zwischendurch auch herrlich flapsig und politisch inkorrekt war. Allerdings wurden mir Kittys Libido-Probleme dann doch etwas zu häufig präsentiert, so dass es ein wenig langweilig wurde. So muss ich am Ende konstatieren, dass der Funke bei mir nicht so richtig übergesprungen ist.

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

 

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Der König der Schweine | Erschienen am 6. Oktober 2016 im Haymon Verlag
ISBN 978-3-70997-860-3
280 Seiten | 12,95 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

4 Replies to “Manfred Rebhandl | Der König der Schweine”

  1. Hm, die Ermittlerfigurenkonstellation erinnert mich ja stark an das Zorn & Schröder Team aus den Krimis von Stephan Ludwig – das fand ich ganz spannend, die Reihe hab ich aus anderen Gründen abgebrochen.
    Aber wenn da die Krimielement so spärlich sind… hm, mal sehen, wie mir das Buch gefällt. Ich werde immer gespannter!

    1. Ich kenne Zorn & Schröder nur aus den Verfilmungen, aber ich würde sagen, die Konstellation ist ähnlich, wobei es bei Rebhandl definitiv derber zugeht. Bin gespannt auf deine Meinung zum Buch.

  2. Ich muss das Buch wohl demnächst schleunigst lesen, obwohl ich schon fürchte, diese Kitty wird mir too much, wenn ich mir deine Darstellungen ansehe. Von Rebhandl habe ich bisher noch nichts gelesen.

    Raab und Haas sind aber wirklich empfehlenswert. Uneingeschränkt.

    Falls du noch einen ungewöhnlichen österreichischen Ausflug machen möchtest, dann schau dir DER SOHN DES KNOCHENZÄHLERS von Evelyn Grill an. Ein Buch, das mich seit Jahren nicht mehr loslässt.

    1. Danke für den Tipp, werde ich mir auf jeden Fall mal ansehen. Vielleicht mache ich auch mal ein kleines Österreich-Spezial, ich habe auch noch einen Haas und Slupetzky auf dem SuB…;-)

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