Lesung: Garry Disher | Bitter Wash Road, Bericht von der Lesung in Hamm

Lesung: Garry Disher | Bitter Wash Road, Bericht von der Lesung in Hamm

Das Krimifestival Mord am Hellweg ist durchaus bekannt für seine ungewöhnlichen Veranstaltungsorte mit besonderem Flair und nun stand ich hier – in der Mitgliederoase der Volksbank Hamm. Wie es der Name vermuten lässt, war es hier, nun ja, funktionell. Schätzungsweise etwa hundert Gäste waren gekommen, um die Lesung mit Garry Disher zu besuchen. Aber auch der Rest des Podiums war hochkarätig besetzt. Durch den Abend führte souverän Günter Keil, Journalist und Moderator. Den deutschen Lesepart übernahm Schauspieler Tim Bergmann, bekannt aus den Nele-Neuhaus-Verfilmungen. Bergmann überzeugte als Vorleser und hielt sich ansonsten angenehm zurück, denn der Protagonist des Abends war ja Garry Disher.

Der Australier begann dann auch direkt die Lesung angesichts von Temperaturen um den Gefrierpunkt mit dem Hinweis, dass er down under bei 25 Grad losgeflogen ist. Dann kam man aber schnell auf Dishers aktuellen Roman in Deutschland, Bitter Wash Road. Disher las ein Stück auf Englisch und Bergmann anschließend etwas länger auf Deutsch. Auf Nachfrage erklärte Disher, dass die Ortschaften des Romans fiktiv seien, allerdings sei die Gegend seinem Heimatort im Norden des Bundesstaates South Australia sehr ähnlich (inzwischen lebt er im Bundesstaat Victoria südlich von Melbourne in Strandnähe), auch bei den Namen habe er sich von Familienmitgliedern und ehemaligen Schulkameraden inspirieren lassen. Hoffnungen auf eine neue Reihe mit Constable Hirschhausen lies der Autor allerdings nicht aufkommen, er zeigte sich skeptisch, ob die Figuren für weitere Bücher taugen.

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Moderator Günter Keil wies im Laufe des Abends darauf hin, dass Disher ein ungemein produktiver Autor in ganz verschiedenen Genres sei. Disher bestätigte dies und ergänzte, dass sein erfolgreichstes Buch tatsächlich ein Kinderbuch sei. Er verriet dann auch noch einiges über seine Autorenkarriere (mit Short Stories begonnen, Creative Writing Seminar in Kalifornien besucht, das ihm vor allem geholfen hat, Beschreibungen und Atmosphäre aufs Papier zu bringen) und seinen Tagesablauf als Autor. Disher beschrieb sich als diszipliniert („I treat it like a job“), er schreibe jeden Tag von acht Uhr morgens bis mittags, sechs Tage die Woche. Außerdem schreibt er nach eigener Aussage den ersten Entwurf immer noch per Hand. Auf die Nachfrage, wie detailliert er seine Bücher plane, ob er auf den ersten fünfzig Seiten eine Leiche einplane, antwortete Disher, er plane schon detailliert, aber Leichen seien als Stilmittel überschätzt („True crime is something darker“).

Die Interviewphasen wurden immer wieder durch Lesungen aus Bitter Wash Road abgelöst, wobei bemerkenswert war, dass Disher seinen Lesepart im Stehen absolvierte und Keil und Bergmann regelmäßig das Headset tauschen mussten, weil der Veranstalter nur zwei davon parat hatte. Anzumerken wäre auch, dass bei den Lesungen und den Interviewfragen zum Buch alle Beteiligten bemüht waren, nicht zu sehr zu spoilern.

Auf die Frage, ob es für einen australischen Autor leichter oder schwerer auf dem internationalen Markt sei, antwortete Disher, dass es allgemein schwierig sei, lobte aber die deutschsprachigen Leser für ihre Aufgeschlossenheit gegenüber internationaler Literatur. Schließlich die Frage nach seinen eigenen Lesegewohnheiten. Disher („Reading crime fiction is for pleasure“) nannte Namen wie Ian Rankin, Michael Connelly, James Lee Burke, Elmore Leonard, aber auch Arnaldur Indriðason. Ein Zuschauer fragte ihn nach seinem eigenen Lieblingsbuch und Disher nannte zwei Nichtkrimis, das seinem Vater gewidmete „Bamboo Flute“ und der experimentelle Roman „Sunken Road“. Beide noch unübersetzt, was Moderator Keil schmunzelnd dazu brachte, ins Publikum zu fragen, ob Verleger anwesend seien.

Bis jetzt war Disher noch überhaupt nicht auf seine Wyatt-Reihe angesprochen worden, auch der Buchverkauf im Vorraum umfasste nur Bitter Wash Road und die Inspector-Challis-Reihe. Also nutzte ich die Gunst der Stunde zu einer Frage, wie er dazu gekommen sei, zwei Reihen mit so unterschiedlichen Perspektiven zu schreiben. Disher antwortete, dass ihn tatsächlich die unterschiedlichen Herangehensweisen reizen. Bei Wyatt frage sich der Leser: „Will he get away with it?“ Wyatt war seine erste Serienfigur und ganz klar von Richard Starks „Parker“ inspiriert. Nach einigen Büchern sei er Wyatt aber etwas überdrüssig geworden. Zur dieser Zeit habe ihm John Harveys Reihe um den Nottinghamer Inspektor Resnick sehr gefallen und dadurch sei die Idee für Inspector Challis entstanden.

So ging die Lesung dann auch zu Ende. Insgesamt war es ein gelungener Abend mit einem sehr sympathischen Autor. Die Moderation war professionell, die Leseabschnitte gut ausgewählt. Die Interviewfragen waren vielleicht tendenziell ein wenig zu oberflächlich, aber im Rahmen einer solchen Veranstaltung war das vermutlich auch nicht anders zu erwarten. Der Autor nahm sich dann noch die Zeit zum Signieren und überraschte mich mit einem pfiffigen Eintrag. In diesem Sinne: „More sex + violence!“

 

Bericht und Fotos von Gunnar Wolters.

 

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Weiterlesen: Gunnars Rezension zu Garry Dishers Roman Bitter Wash Road

Dieser Text erscheint im Rahmen unseres Mord am Hellweg Lesungs-Spezial.

5 Replies to “Lesung: Garry Disher | Bitter Wash Road, Bericht von der Lesung in Hamm”

  1. Lieber Gunnar,

    vielen Dank für deinen Bericht über einen gelungenen Abend. Die Widmung ist genial ;-).

    Interessant finde ich Nennung der Autoren die Garry Disher benannt hat und dabei werde ich daran erinnert, dass ich immer noch keinen Burke gelesen habe.

    Liebe Grüße

    Nisnis

  2. Sehr sympathisch, der Garry – zum einen, dass ein Autor auch die Überlegung anstellt, ob Figuren überhaupt für eine Serie taugen und nicht nur den „schöden Mammon“ im Kopf haben, und zum anderen, weil er Leichen als überbewertet hält. Und damit hat er so recht – Spannung lässt sich ja nicht an den auftauchenden Leichen bemessen.
    Na toll, jetzt bin ich noch neidischer…. 🙁

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