John Rector | Frost

John Rector | Frost

Syl war tot und der Schnee war tief.
Es würde lange dauern, bis sie ihn fanden. Mit etwas Glück waren die Schneepflüge auf dem Highway schon unterwegs, und wir würden am Nachmittag schon wieder auf dem Weg sein.
Wir mussten nur abwarten.
Als ich in der Rezeption ankam, hatten meine Hände aufgehört zu zittern. Ich brachte es fertig, mich davon zu überzeugen, dass ich das Richtige getan hatte für Sara und das Baby und dass alles gut werden würde. Ich blieb einen Moment vor der Tür stehen und lauschte, ob man schon das kratzende Brummen der Schneepflüge hören konnte.
Aber ich hörte nur das dünne, kalte Pfeifen des Windes, der über den Schnee fegte. (Auszug Seiten 103 – 104)

Das junge Pärchen Sara und Nate sind unterwegs mit dem Auto von Minnesota nach Nevada quer durch den Mittleren Westen. Das Winterwetter ist unangenehm, ein Blizzard ist angesagt. An einer Raststätte werden sie von einem offenbar kranken Mann angesprochen, ob sie ihn gegen Bezahlung mitnehmen können. Sie willigen ein, obwohl Nate ahnt, dass dies ein Fehler sein könnte.

Blizzard

Die Straßen werden zunehmend unpassierbar, sie retten sich in ein abgelegenes, in die Jahre gekommenes Motel. Dort angekommen stellen Sara und Nate fest, dass ihr Mitfahrer offenbar verstorben ist und in seinem Gepäck finden die beiden zwei Millionen Dollar. Nate überredet Sara, sich des Mannes zu entledigen, das Geld zu behalten und bei einer Besserung des Wetters schnurstracks zu verschwinden. Doch so einfach wird es natürlich nicht, denn es haben sich noch andere Gäste im Motel eingefunden. Vor allem der Neffe des Motelbesitzers ist offenbar nicht koscher. Nate glaubt trotzdem noch alles unter Kontrolle zu haben, bis plötzlich der vermeintlich Tote wieder auf dem Motelgelände herumliegt. Und er lebt sogar noch!

Das Setting von Frost ist durchaus ansprechend: Der Mittlere Westen der USA, Schneegestöber, bittere Kälte, die Highways unpassierbar. Dazu ein Motel in der Einöde mit einigen speziellen Gästen – ein sehr klassisches Setting. Autor John Rector dreht durchaus geschickt an der Spannungsschraube und bringt einige Wendungen ein, die den geübten Thrillerleser mal mehr, mal weniger überraschen.

Zu viel Altbekanntes

Als Ich-Erzähler führt uns Nate durch das Buch. Er ist auch der Einzige, von dem man bruchstückhaft etwas mehr erfährt. Er hat eine kriminelle Vergangenheit als Waffendealer, hat schon eine Haftstrafe abgesessen und ist offenbar mehr oder weniger auf der Flucht aus Minnesota. Sein traumatisches Erlebnis aus der Vergangenheit ist der Tod seines jüngeren Bruders bei einem Autounfall, den er verschuldet hat. Von seiner Freundin Sara hingegen wird man kaum etwas gewahr, außer dass sie noch keine 21 und von Nate schwanger ist.

Insgesamt krankt der Thriller aber aus meiner Sicht daran, dass zu viele altbekannte Motive verwendet werden. Der Plot ist nicht allzu komplex und die Überraschungsmomente wirken zum Teil mit dem Holzhammer konzipiert. Auch die Figurenzeichnungen bleiben ziemlich oberflächlich. Spannung und Setting können zwar durchaus überzeugen, aber insgesamt ist Frost für mich ein eher mittelmäßiger Thriller, der sich angesichts der überschaubaren Länge aber auch flott durchlesen lässt.

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

 

Frost | Erschienen am 1. Dezember 2010 im Rowohlt Verlag
ISBN 978-3-499-25493-2
288 Seiten | 8,95 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Diese Rezension erscheint im Rahmen unseres Themenspezials Eisige Tatorte.

3 Replies to “John Rector | Frost”

  1. Dein Fazit bestätigt mich in meinen Erinnerungen. Ich weiß noch, dass es mich an einen Film erinnert hat, der auch so aufgebaut ist (Titel müsste ich heraussuchen) aber die beiden haben wohl nix gemeinsam – sprich das Buch war nicht die Filmvorlage.

    1. Es gibt hier mehrere Motive, die man aus anderen Büchern oder Filmen kennt. Ist im Grunde auch okay, man muss das Rad ja nicht immer neu erfinden. Aber die Umsetzung war jetzt für mich nur durchschnittlich.

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