Lars Lenth | Schräge Vögel singen nicht

Lars Lenth | Schräge Vögel singen nicht

Langsam häufte es sich an. Das Ganze war ziemlich unnorwegisch. Internationales Niveau.
Durfte man sich eigentlich Massenmörder nennen, auch wenn man die Morde nicht eigenhändig beging?
Klavenes dachte nach. Stalin und Hitler wurden als Massenmörder bezeichnet, obwohl sie wahrscheinlich niemanden persönlich umgebracht hatten. (Auszug Seite 232)

Ein erfolgloser Angler macht in einem Angelrevier in bester Lage vor dem großen Immobilienprojekt Fornebu am Oslofjord einen grausigen Fund: Eine übel zugerichtete Wasserleiche, mit Beton an den Füßen im Fjord versenkt. Weil auch Leo Vangen dort regelmäßig geangelt hat, wird er von der leitenden Ermittlerin Mariken Varden, einer alten Schulfreundin, kontaktiert. Da Mariken Leos alte Liebe ist, will er bei den schwierigen Ermittlungen helfen. Alles deutet darauf hin, dass der Tote einer von den polnischen Bauarbeitern des Immobilienprojekts ist. Da Leo als Rechtsreferendar schon mal guten Kontakt zu polnischen Gastarbeitern hatte, begibt er sich auf Spurensuche in den Gastarbeiterunterkünften und kommt auf die Fährte eines alten Bekannten.

Terje Klavenes war früher mit Leo und Mariken in einem Schuljahrgang. Privat ist er schon ein mieser Typ und auch beruflich hat er sich mit nicht aufgefallenen Betrügereien immer weiter nach oben gebracht. Inzwischen ist er Chef einer Projektentwicklungsgesellschaft und ein eiskalter Immobilienhai. Immer auf der Suche nach einem Profit auf Kosten anderer. Momentan läuft es nicht optimal mit den Geschäften. Die Bauarbeiter klagen über die miese Behandlung und Bezahlung, die Eigentümergemeinschaft fühlt sich betrogen, weil immer noch nichts fertiggestellt ist und ein Vogelkundler will die Behörden einschalten, weil Klavenes Teile des Vogelschutzgebietes bebaut. Es knirscht also an allen Ecken, aber Klavenes hat zwei Männer fürs Grobe: Rino Gulliksen und Nils Hætta. Zwei Schmalspurgangster, aber zumindest Nils fühlt sich zu Höherem berufen und schreckt auch vorm Äußersten nicht zurück.

Autor Lars Lenth ist ein vielseitiger Typ und in Norwegen vor allem auch als Angel-Profi bekannt. Sein Hobby hat er in Fachbüchern, im Fernsehen und auf DVD zum Beruf gemacht. Daneben ist Lenth auch Rockmusiker. Als Autor schreibt er neben Sachbüchern auch Romane. Schräge Vögel singen nicht ist der zweite in Deutschland erscheinende Roman um den Rechtsrefendar Leo Vangen und erschien im Original bereits 2011.

Hauptperson Leo Vangen ist ein ziemlich durchschnittlicher Mann in seinen Vierzigern, der aus seinen Anlagen vermeintlich wenig gemacht hat. Obwohl mit gutem Abschluss hat er bereits nach der ersten Gerichtsverhandlung keinen Gerichtssaal mehr betreten und ist dadurch kein Anwalt geworden, sondern auf der Stufe des Rechtsreferendars geblieben. Auch privat läuft’s so mittel: Geschieden, fast erwachsener Sohn. Er lebt in Bærum, der reichsten Gemeinde Norwegens, auf einer schicken Insel in der familieneigenen Villa, die allerdings mangels Geld und Pflege zusehends herunterkommt. Grundsätzlich ist Leo aber ein guter, hilfsbereiter Typ. Insgesamt kommt Leo trotz seiner Neurosen aber ziemlich gut zurecht, ein wenig Ruhe im Leben ist schließlich auch nicht zu verachten. Dennoch entwickelt Leo eine ungeahnte Aktivität in diesem Fall, denn schließlich gilt es, seine alte Jugendliebe zu beeindrucken.

Schräge Vögel singen nicht ist wie es der ziemlich merkwürdige deutsche Titel andeutet, ein Krimi mit skurrilen und schrägen Elementen. Dabei schreibt der Autor mit einem schwarzen, zuweilen auch derben Humor, wobei er im Grundton schon ernst bleibt. Dazu eine durchaus sympathische Hauptfigur, die mich irgendwie entfernt an den Dude aus The Big Lebowski erinnert hat. Ein wenig Abzüge gibt es von meiner Seite für den fiesen Antagonisten Klavenes, der mir allzu plakativ geraten ist. Die Themen reichen von Immobilienspekulation, Korruption, Ausbeutung bis Umweltzerstörung. Insgesamt bringt Lars Lenth also höchst aktuelle Themen in die Geschichte ein, serviert sie aber mit einer durchaus angenehmen Mischung aus Melancholie und Witz, wobei es hier (Plot) und da (Spannung) sicherlich noch Luft noch oben gibt.

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

Schräge Vögel singen nicht | Erschienen am 23. September 2019 im Limes Verlag
ISBN 987-3-8090-2712-6
288 Seiten | 18.- Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Diese Rezension erscheint im Rahmen unsers .17special Ein langes Wochenende mit… Krimis aus Norwegen.

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