James Lee Burke | Mein Name ist Robicheaux Bd. 21

James Lee Burke | Mein Name ist Robicheaux Bd. 21

Ich wollte andere Dinge mit ihm tun, die ich nicht beschreiben werde. Ich hegte Gefühle, die kein Christ je haben sollte. Dennoch waren es meine. Ich besaß sie. Und sie lebten immer noch in mir, selbst als T.J. Dartez auf einem Obduktionstisch lag, so kalt und blutleer wie alte Fleischwurst.
War ich fähig zu dem Mord draußen am Bayou Benoit? Sagt ihr’s mir. (Auszug Seite 193)

Vor knapp zwei Jahren wurde Dave Robicheaux‘ Frau Molly Opfer eines Verkehrsunfalls, bei dem Dave sich allerdings nicht ganz sicher ist, ob er sich tatsächlich so zugetragen hat wie behauptet. T.J. Dartez, der in Mollys Wagen fuhr, weil sie angeblich die Vorfahrt missachtete, wurde von aller Schuld freigesprochen. Doch jetzt wird Dave ausgerechnet von einem Gangster namens Tony Nemo auf den Unfall angesprochen – mit dem Hinweis, dass etwas faul an der Sache sei. Dave kann dies nicht auf sich beruhen lassen. Eines Abends erleidet er einen Rückfall und lässt sich volllaufen. Am anderen Tag wacht er auf und kann sich an nichts erinnern. In dieser Nacht wurde T.J. Dartez ermordet. Ist Dave ein Mörder?

Dave Robicheaux‘ Chefin im Sheriffsbüro von New Iberia glaubt nicht daran und behält ihn im Dienst. Dave soll weiter in einem merkwürdigen Fall von angeblicher Vergewaltigung ermitteln. Rowena Broussard, eine Nachbarin von Dave, beschuldigt Jimmy Nightingale, einen ehemaligen Ölmanager und aufstrebenden Politiker, der für den US-Senat kandidiert. Dave hatte Nightingale mit den Broussards erst kurz zuvor zusammengebracht, da Nightingale einen Roman von Rowena Broussards Ehemann Levon als Filmprojekt produzieren wollte. Doch die Broussards realisieren das Projekt plötzlich ausgerechnet mit Tony Nemo.

Währenddessen bearbeitet Spade Labiche, ein neuer Kollege, den Mordfall Dartez und macht ein ums andere Mal Andeutungen, dass die Indizien auf Dave verweisen. Labiche hat aber außerdem Kontakt zu Kevin Penny, einem Zuhälter und Drogendealer, der seinerseits Verbindungen zu Tony Nemo und Jimmy Nightingale hat. Wie hängt alles miteinander zusammen? Wer will hier wen aufs Glatteis führen? Dave erhält wie üblich Unterstützung von seinem Freund Clete Purcel, der gerade tief in der Kreide steht – ausgerechnet bei Jimmy Nightingale. Und Clete steckt außerdem im Clinch mit Kevin Penny, den er mehrfach als Kautionsflüchtigen aufgegriffen hat und von dem er gehört hat, dass er seinen kleinen Sohn misshandelt. Und als wäre das alles nicht genug, taucht plötzlich von irgendwoher ein ziemlich schräger, kaltblütiger Killer auf, der offensichtlich eine Todesliste abarbeitet, die von irgendeinem der Beteiligten diktiert wurde.

Manchmal kann man Außenstehenden die Kultur des südlichen Teils von Louisiana und das Dilemma seiner Menschen nur schwer erklären. Die Welt, in der sie aufgewachsen sind, ist heute nur noch eine verfallende Erinnerung, aber viele von ihnen haben keinen Platz in der Gegenwart. […}
Wie soll man also wütend auf Menschen sein, die arm geboren wurden, so schlecht Englisch sprechen, dass sie für Außenstehende völlig unverständlich sind, das Weltbild und die Glaubensüberzeugungen von mittelalterlichen Bauern besitzen, sich mit Putzen Geld verdienen und fettleibig werden wegen völlig ungesunder Massenlebensmittel, für die sie auch noch dankbar sind? (Seite 396)

Mein Name ist Robicheaux ist inzwischen der 21. Roman um den unerschrockenen, von seinen inneren Dämonen heimgesuchten Gerechtigkeitsfanatiker Dave Robicheaux und seinen nicht minder komplizierten Kumpel Clete Purcel. Damit setzt der Pendragon Verlag seine bemerkenswerte Mammutaufgabe der Wieder- bzw. Neuveröffentlichung aller Robicheaux-Romane fort. Diesmal ist wieder eine Neuveröffentlichung dran, denn im Original erschien dieser Roman erst 2018 unter dem Titel „Robicheaux. You know my name“.

Wer diesen Blog seit längerem verfolgt, weiß sicherlich, dass Autor James Lee Burke zu meinen Lieblingsautoren und Dave Robicheaux zu meinen Lieblingsprotagonisten zählt. Von daher erscheint es nicht verwunderlich, dass mich auch dieser Roman überzeugt hat. Burkes Stil mit seinen epischen Beschreibungen der Natur im Süden Louisianas steht im krassen Widerspruch zu den Verhältnissen von Kriminalität, Gewalt, Rassismus und Misogynie, gegen die Robicheaux und Purcel fast wie moderne Don Quixote und Sancho Panza ankämpfen. Doch im Gegensatz zu den mittelalterlichen Gestalten führen Robicheaux und Purcel keine Scheingefechte, sondern nehmen den Kampf gegen höchst gefährliche Gegner auf, wenngleich es sich am Ende manchmal wie ein Kampf gegen Windmühlen anfühlt.

Was James Lee Burke ebenfalls auszeichnet, sind seine komplexen und ausufernden Plots, für die andere Autoren mehrere Bücher benötigen würden, die er aber souverän beherrscht. Was ich noch nicht wusste – auch das Genre der Short Story ist kein Problem für James Lee Burke. Als Bonus enthält dieser Band die Kurzgeschichte: „The Wild Side Of Life“, in der der Autor ein Motiv aus der Hauptgeschichte aufgreift. Auch das souverän erzählt.

Ein weiterer Bestandteil seiner Werke sind seine klaren, kraftvollen Aussagen zu moralischen Fragen und gesellschaftlich-politischen Missständen in den Südstaaten oder auch im ganzen Land, die er seinem Ich-Erzähler Robicheaux in Reflexionen vortragen lässt. Hier geht es um korrupte und Frauen verachtende Polizisten, weiße Rassisten, skrupellose Gangster und populistische Politiker, die sich ohne mit der Wimper zu zucken mit den vorher genannten verbünden. Und das Problem der Menschen, diese Personen zu entlarven. So ist dieser Kriminalroman als 21. Band einer über dreißig Jahre währenden Reihe fast schon erstaunlich auf der Höhe der Zeit. Für Mein Name ist Robicheaux gibt es daher von mir auf jeden Fall eine klare Empfehlung!

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

Mein Name ist Robicheaux | Erschienen am 9. Oktober 2019 im Pendragon Verlag
ISBN 987-3-86532-658-4
600 Seiten | 22.- Euro
Originaltitel: Robicheaux. You know my name
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Auch bei uns: Rezensionen zu folgenden Burke-Romanen: Sturm über New OrleansGlut und AscheMississippi JamNeonregenSchmierige Geschäfte und  Zeit der Ernte

Linktipp: Die Robicheaux-Romane in der chronologisch korrekten Reihenfolge

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