Claudia Rikl | Das Ende des Schweigens
Herzberg ließ mit Daumen und Zeigefinger die Kappe des Filzstifts auf- und zuschnappen. „Warum schneidet man jemandem die Zunge heraus?“, fragte er laut in den Raum. „Wozu braucht man die Zunge?“
Zum Reden. Der Täter wollte, dass Hans Konrad doppelt verstummte. Tatsächlich, durch seinen Tod. Und bildlich. Symbolisch. Weil er zu viel geredet hatte…? (Auszug Seite 276)
Die Journalistin Susanne Ludwig findet die Leiche des NVA-Offiziers Konrad in ihrem Ferienhaus. Michael Herzberg ist der leitende Ermittler der Kriminalpolizei Neubrandenburg, der mit diesem Fall betraut wird. Nach einigen Recherchen findet sich die erste Spur, die mit der Wende zu tun hat. Aber ist das wirklich alles? Als Susanne sich von dem Schock ihrer Entdeckung erholt hat, wittert sie mit diesem Fall die Story ihres Lebens und beginnt sich ebenfalls umzuhören. Was ist damals vorgefallen, dass jemand nach fast dreißig Jahren noch so brutal Rache will?
Leitender Ermittler und Journalistin
Michael Herzberg ist 49 Jahre alt, groß und schlank und verheiratet. Seine Frau Renate sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl. Gerade gibt es in ihrer Ehe einige Differenzen. Herzberg hat vor vielen Jahren zehn Monate im Gefängnis gesessen. Er hat ständig das Bedürfnis, in geschlossenen Räumen ein Fenster zu öffnen.
Susanne Ludwig hat eine kleine Tochter, ist fast geschieden und streitet sich mit ihrem Ex-Mann um das Sorgerecht des Kindes. Außerdem ist sie psychisch labil und hat gerade keine Arbeit. Mit ihrem Artikel im Rahmen des Mordes möchte sie sich ihren Job zurückerobern.
Heimischer Tatort
Das Ende des Schweigens von Claudia Rikl habe ich vor allem lesen wollen, weil der Tatort in Mecklenburg ist und ich dort wohne. Es handelt sich um einen typischen Kriminalroman, bei dem die Ermittlungen im Vordergrund stehen. Die Todesursache des Opfers ist ziemlich grausam, wird aber nicht sehr detailliert und blutig geschildert. Die Geschichte ist in einzelne Tage untergliedert, wodurch es zu recht langen Kapiteln kommt.
Zwei Spuren
Die erste große Spur, die das Ermittlungsteam findet und der sie nachgeht, ist eher unspektakulär. Während des Lesens habe ich gedacht, dass es das jetzt ja wohl nicht wirklich ist. Ist es zum Glück auch nicht, die nächste Spur ist dann wesentlich interessanter und passt eher zu einem Mord nach so vielen Jahren. Es geht hauptsächlich um die Wende und die NVA. Das steht zwar auch auf dem Klappentext, aber hätte ich das vorher gewusst, hätte ich das Buch vermutlich nicht ausgewählt. Im Nachhinein bin ich aber doch froh, dass ich es gelesen habe, da das Thema für mich sehr interessant war.
In der Mitte des Romans entstand meiner Meinung nach eine kleine Flaute, die mit dem Verfolgen der ersten Spur zu tun hat, dennoch liest sich der Text sehr flüssig. Am Ende kommt etwas Fahrt auf, ohne dass ich total „vom Hocker gerissen“ wurde. Im Großen und Ganzen ein solider Krimi.
Claudia Rikl wurde 1972 in Naumburg geboren, ist dort aufgewachsen und hat die Wendezeit als Abiturientin erlebt. Die Zeit der Demonstrationen und überfüllten Kirchen, des Zusammenbruchs und Neubeginns war prägend für sie. Die Juristin und Literaturwissenschaftlerin lebt mit ihrer Familie in Leipzig. Derzeit arbeitet sie am nächsten Fall für Michael Herzberg. (Klappentext)
Rezension und Foto von Andrea Köster.
Das Ende des Schweigens | Erschienen am 13. März 2018 bei Kindler im Rowohlt Verlag
ISBN 978-346340-685-5
528 Seiten | 14.99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe
26. März 2018