Kategorie: Monika Röhrig

Dorothy L. Sayers | Starkes Gift

Dorothy L. Sayers | Starkes Gift

Für unser Spezial um Privatdetektive/innen habe ich statt eines neu erschienen Buches eines meiner älteren Bücher ausgewählt: eines aus Dorothy L. Sayers Reihe um Lord Peter Wimsey. Aus dieser Serie besitze ich bis auf die letzten beiden (die ich jetzt bei meiner Recherche im Internet entdeckt habe und mir auch noch zulegen werde) alle Bücher. Die Fälle zeichnen sich durch die humorvollen, aber auch scharfsinnigen, immer gut recherchierten und spannenden Handlungen aus, die ohne viel Action auskommen; braucht man manchmal zur Erholung. Zum Motto des Specials passt dieses Buch (finde ich jedenfalls) gut, da hier zwar von einem männlichen Detektiv ermittelt wird, der aber von weiblichen Dektektivinnen Unterstützung erhält.

Die Hauptakteure: Lord Peter Death Bredon Wimsey, geb. um 1890 (wie die Autorin) zweiter Sohn des 15. Herzogs von Denver, besuchte Eton und das Ballion College in Oxford, Hobbys: Sammeln von kostbaren Erstausgaben und Aufklärung von Gewaltverbrechen, immer unterstützt von seinem Diener Bunter, zeitweise auch als Tatortfotograf und Spurenermittler eingesetzt. Harriet Vane, Tochter eines Landarztes, Examen am Shrewsbury College in Oxford, Kriminalschriftstellerin, lebt alleine, Angeklagte in einem Mordprozess.

Im Band Starkes Gift will Lord Peter die Unschuld der wegen Giftmordes vor Gericht stehenden Kriminalschriftstellerin Harriet Vane beweisen, eine „selbständige“ Frau, wie sie im Buche steht. Die Tatsache, dass sie nicht nur erfolgreiche Kriminalromane schreibt (an sich schon ungehörig), lebte sie auch noch mit dem Mordopfer Philip Boyes, ebenfalls Schriftsteller (allerdings weniger erfolgreich) jahrelang in wilder Ehe zusammen. Die Anklage legt ihr zur Last, dass Boyes, von dem sie sich nach dessen Heiratsantrag getrennt hatte (für die Allgemeinheit völlig unglaubhaft), nach einem Versöhnungsbesuch bei ihr mit einem Kaffee, der mit Arsen versetzt war, vergiftet wurde. Er verstarb nach seiner Rückkehr ins Haus seines Cousins Norman Urquhart, wo er nach der Trennung zeitweise gewohnt hatte.

In der Verhandlung wird ausführlich dargelegt, dass Philip Boyes zwar bei seinem Cousin vor dem Treffen mit Harriet Vane ein umfangreiches Abendessen eingenommen hatte, dieses aber nach den Ermittlungen von Scotland Yard als Grund für die Vergiftung nicht in Frage kommt, da alle Getränke und Gerichte von mindesten zwei Personen (Boyes und Urquhardt), überwiegend aber auch vom Hauspersonal Urquhardts konsumiert wurden. Von Harriet Vane wurde allerdings bekannt, dass sie mehrfach Arsen eingekauft hatte, angeblich zur Recherche ihres neuen Kriminalromans. Somit bleibt nach Ansicht der Anklage nur der Kaffee von Harriet Vane als Mordinstrument übrig. Der Meinung ist jedoch Lord Peter Wimsey, der die Verhandlung mit wachsender Unruhe verfolgt, absolut nicht.

Abgesehen davon, dass er die Angeklagte für unschuldig hält, hat er sich auch noch in sie verliebt – ganz klar, er muss den wahren Mörder finden. Zum Glück befindet sich unter den Geschworenen eine ihm wohlbekannte ältere Dame, Miss Climpson, die standhaft genug ist, ihre Zweifel an Harriets Schuld gegen die Meinung der anderen Geschworenen über einen Zeitraum von sechs Stunden aufrecht zu erhalten. Da die anderen Geschworenen dem Richter auf Nachfrage verzweifelt mitteilen, dass keine Einigkeit erzielt werden kann muss der Prozess neu aufgerollt werden, der Richter setzt einen neuen Termin in einem Monat an.

Lord Peter hat nun – wenn auch knapp bemessen – Zeit, den wahren Mörder zu finden und die Beweise dafür zu beschaffen. Und ab hier ist nicht nur Lord Peter als Privatdetektiv tätig, sondern auch Miss Climpson, eine sogenannte alte Jungfer, die seit einiger Zeit unauffällig für Lord Peter ermittelt. Während Lord Peter sich mit der Familie von Philip Boyes und dem privaten Umfeld von Philip und Harriet, überwiegend bestehend aus Künstlern, befasst, wird Miss Climpson in einer besonderen Mission in einen kleinen Ort gesandt, in dem eine pflegebedürftige, aber reiche Tante von Norman Urquhardt (der ihr Testamentsvollstrecker ist) und Philip Boyes lebt.

Miss Climpson macht sich mit der Pflegerin der Tante bekannt und wendet eine ziemlich ungewöhnliche Art der Ermittlung an: da die Pflegerin an Hellseher etc. glaubt, stellt sie sich als Medium vor, bei einer Seance gibt sie vor, mit dem Geist der Tante, die seit einiger Zeit nicht mehr ansprechbar ist, Kontakt aufgenommen zu haben (hier werden sehr schön einige Tricks verraten, mit denen in diesem Bereich gearbeitet wurde/wird). Miss Climpson kommt tatsächlich an die benötigten Informationen, was im Anschluss dazu führt, dass eine Mitarbeiterin von Miss Climpson als Schreibkraft tätig wird, nicht ohne vorher von Lord Peter eingeführt bei einem mit ihm befreundeten ehemaligen Einbrecher Tricks zum Öffnen von Schlössern ohne den dazugehörigen Schlüssel zu lernen, um die endgültigen Beweise zu sichern.

Die Autorin Dorothy L. Sayers hat in Starkes Gift einen Plot geschaffen, der Spannung, aber auch Humor vereinigt. Die Spannung bleibt bis zur überraschenden Auflösung erhalten, wobei die Spannung weniger darauf beruht, den wahren Mörder zu finden (dem geübten Krimileser ist schnell klar, wohin der Hase läuft) sondern die Mordmethode herauszufinden. Die Schilderung der Handlungsweise der Protagonisten lässt den Leser immer wieder schmunzeln; Peter ist trotz adliger Herkunft alles andere als abgehoben und auch die anderen Figuren sind sehr lebendig geschildert.

Auch wenn der Roman die Zeit der 1930er Jahre wiederspiegelt, ist er nach wie vor gut zu lesen und durchaus interessant. Erstmals in der Lord-Peter-Reihe geht es nicht wie üblich nur um seine Detektivarbeit; Lord Peter wandelt endlich auf Freiersfüßen. Das erweist sich jedoch als schwierig, seine Angebetete Harriet Vane wird von der Autorin als eine Person dargestellt, die trotz ihres bisher bekannten Lebenswandels durchaus moralische Skrupel hat; hin- und hergerissen zwischen ihrer Dankbarkeit gegenüber Lord Peter und der Befürchtung, dass ihr bisheriges Leben irgendwann die Beziehung zerstören würde, lehnt sie seine Anträge ab.

Es sei jedoch erwähnt, dass sich die Bemühungen von Lord Peter wie ein roter Faden durch seine nächsten Fälle zieht. Harriet Vane wird auch selbst in zwei Romanen als Detektivin tätig (allerdings bleibt die jeweilige Auflösung Lord Peter vorbehalten). Ein Happy End gibt es dann doch nach Jahren noch – und selbst das wird von der Autorin noch zu einem vergnüglichen Krimi verarbeitet.

Eigentlich sind alle Lord-Peter-Bücher lesens- und empfehlenswert, wenn man nicht gerade ein ausgewiesener Thriller-Fan ist. Diese Buch ist aber noch mal etwas besonderes, da Lord Peter hier in seinen Ermittlungen Unterstützung von Frauen erhält, die in der damaligen Zeit (und teilweise auch heute noch) leicht abschätzig betrachtet wurden: Künstlerinnen und allein stehende ältere „Frolleins“.

Meine Rezension beruht auf der 1982 im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH erschienenen Ausgabe. Die Werke von Dorothy L. Sayers sind auch weiterhin (mindestens online) als Bücher (neu und gebraucht), als Hörbücher und E-Books erhältlich. Einige Bücher wurden 1972 – 1975 für eine 21-teilige englische Fernsehrserie verfilmt, in den 70er und 80er Jahren wurden diese auch im Bayrischen Rundfunk ausgestrahlt. Es gibt DVDs davon, allerdings soweit mir bekannt ist, nur in englischer Sprache.

Dorothy L. Sayers, geboren am 13. Juni 1893 in Oxford als Tochter eines Pfarrers und Schuldirektors aus altem englischen Landadel, legte als eine der ersten Frauen an der Universität Oxford ihr Examen ab. In ihren Kriminalromanen etablierte sie – ungewöhnlich zu dieser Zeit! – eine adlige Detektivfigur. Ab 1923 (erstes Buch: Der Tote in der Badewanne oder auch Ein Toter zu wenig) ließ sie Lord Peter Wimsey ermitteln, das hier besprochene Buch erschien 1934 und spiegelt logischerweise die Denk- und Lebensweise der damaligen Zeit wider, also auch das, was sich für Frauen „geziemt“, selbständige Frauen wurden noch misstrauisch beobachtet.

 

Rezension und Foto von Monika Röhrig.

Starkes Gift | Erstveröffentlichung 1934
Angaben zur aktuellen E-Book-Ausgabe:
Veröffentlicht am 22. April 2014 bei Rowohlt
ASIN B0184SZZ36
1013 KB, ca. 295 Seiten | 4.99 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Diese Rezension erscheint im Rahmen unseres .17special Adventsspezials Privatdetektive.

Melinda Mullet | Whisky mit Mord

Melinda Mullet | Whisky mit Mord

Whisky mit Mord ist der Debüt-Roman von Melinda Mullet und spielt hauptsächlich in Balfour, Schottland.

Abigail Logan, 34, ist eine preisgekrönte Fotojournalistin, die für „The London Gazette“ in allen Krisengebieten der Welt unterwegs ist. Im Alter von acht Jahren verlor sie ihre Eltern durch einen Verkehrsunfall, seit dieser Zeit lebte sie bei ihrem Onkel Ben, einem erfolgreichen Londoner Aktienhändler, der mit Begeisterung die Vaterrolle an ihr übernommen hat.

Abby erhält bei ihrem letzten Job in Afrika die Nachricht, dass es Ben, der seit einiger Zeit an Krebs erkrankt war, deutlich schlechter geht. Obwohl sie sofort zurückfliegt, trifft sie ihn leider nicht mehr lebend an. Von seinen Anwälten wird sie dann darüber informiert, dass sie seine Ländereien und Liegenschaften in Schottland, wozu auch die Whisky-Brennerei „Abby Glen“ in Balfour gehört, geerbt hat. Bei einem Treffen mit ihrem besten Freund Patrick, stellvertretender Herausgeber des Magazins „Wine and Spirits Monthly“, macht dieser ihr erst mal klar, dass es sich bei Abby Glen keineswegs um – wie von ihr vermutet – eine kleine heruntergekommene Brennerei, sondern um eine der angesagtesten Nobeldestillerien für Single Malt Whisky in Schottland handelt. Das scheint auch anderen bekannt zu sein, denn kurz nach der Besprechung mit den Anwälten erhält sie einen Drohbrief, der sie anscheinend davon abhalten soll, die Brennereigeschäfte zu übernehmen. Zusätzlich trifft ein Floristenkarton bei ihr ein, Inhalt: ein Riesenstrauß Disteln mit einer Trauerschleife, jedoch ohne weitere Nachricht. Abigail macht sich trotzdem – getreu dem Motto: Bange machen gilt nicht – mit ihrem Hund Liam und Freund Patrick auf nach Schottland, um sich ihr Erbe anzusehen, die Mitarbeiter kennen zu lernen und dann zu entscheiden, ob sie übernimmt oder verkauft.

Nachdem sie sich zunächst die Destillerie angesehen haben, fahren sie zu Bens Wohnhaus und erleben dort die nächste unliebsame Überraschung, an der Haustür hängt eine tote Ente, deren Blut sich über die Eingangsstufen ausgebreitet hat. War der Empfang schon nicht allzu freundlich, geht es in den folgenden Tagen erst so richtig los: nach Manipulationen an den Geräten der Destillerie findet Abby bei einem Kontrollgang einen jungen Angestellten tot in einem Gärbottich, die Mälzscheune geht in Flammen auf und es treffen weitere Drohbotschaften ein.

In ihrem Roman stellt die Autorin eine Protagonistin in den Mittelpunkt, die, gestählt durch ihren beruflich bedingten Aufenthalt in Krisengebieten, sich auch von den Drohungen und Machenschaften der Inhaber anderer Brennereien, die sich zu gerne „Abby Glen“ aneignen würden, nicht einschüchtern lässt. Auch die Charaktere der Mitstreiter bzw. Gegner sind interessant gestaltet, als Leser rätselt man doch einige Zeit, wer zu welcher Gattung gehört.

Im gesamten Handlungsverlauf wird die anfängliche Spannung nicht nur gehalten, sondern bis zur überraschenden Auflösung noch gesteigert, der Schreibstil ist flüssig und humorvoll. Zusätzlich ist erkennbar, dass die Autorin sich ein gutes Hintergrundwissen (evtl. durch ihren Ehemann, einem Whisky-Sammler aus Leidenschaft) über die Whisky-Brennerei, die Vermarktung und auch den Wert von Whisky-Sammlungen angeeignet hat – auch für Nicht-Whisky-Trinker durchaus interessant.

Mein Fazit: Ein gelungener Debüt-Roman, Lesevergnügen bis zum Schluss!

Melinda Mullet hat britische Eltern, ist allerdings in den USA geboren und aufgewachsen. Sie besuchte Schulen in Texas, Washington D.C., England und Österreich. Sie ist Rechtsanwältin und hat sich für Kinderrechte und Schulausbildung von Kindern auf der ganzen Welt eingesetzt. Sie hat viele Reisen unternommen und lebt in der Umgebung von Washington D.C. mit ihrem Ehemann, einem Whisky-Sammler, und zwei Töchtern.

 

Rezension und Foto von Monika Röhrig.

Whisky mit Mord | Erschienen am 13. Juli 2018 bei Aufbau Verlag
ISBN 978-3-7466-3391-6
384 Seiten | 9.99 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Volker Klüpfel & Michael Kobr | Kluftinger Bd. 10

Volker Klüpfel & Michael Kobr | Kluftinger Bd. 10

Einen Kluftinger-Krimi im wahrsten Sinne des Wortes kredenzen uns die beiden Autoren Volker Klüpfel und Michael Kobr zum Jubläum: zum zehnten Mal ermittelt der Allgäuer Kommissar auf seine unnachahmliche Art, diesmal sogar in eigener Sache.

Kommissar Kluftinger aus Altusried im Allgäu hat mittlerweile reichhaltige Erfahrungen in der Ermittlungsarbeit vorzuweisen. So scharfsinnig er seine Fälle löst , so tollpatschig ist er oft, technischen Neuerungen nicht gerade aufgeschlossen gegenüber und immer bereit, in so manches Fettnäpfchen zu treten. Gegen die gut gemeinten Bevormundungen seiner Eltern und seiner Frau kommt er nicht wirklich an, obwohl er mittlerweile stolzer Opa ist. Sein spezieller „Freund“ ist der stets allwissende und sich einmischende Dr. Langhammer (in diesem Buch auch noch Besitzer eines aufdringlichen Hundes), den er immer wieder versucht, außen vorzulassen – was ihm allerdings auch nicht gelingt. In Kluftiger erfahren wir sogar seinen bisher unbekannten vollen Vornamen. In seiner Freizeit spielt er die große Trommel in der örtlichen Musikkapelle und wirkt bei einem Laienspieltheater mit. Eine besondere Vorliebe hat er für die Kässpatzen seiner Frau Erika und seinen uralten VW Passat.

Kluftinger wird beim alljährlichen Friedhofsrundgang mit seiner Familie zu Allerheiligen auf eine immer größer werdende Menschenansammlung aufmerksam; eine sich aus der Menge lösende Frau stößt bei seinem Anblick einen spitzen Schrei aus. Natürlich will er nun wissen, was da los ist. Als er es endlich bis zu dem frisch angelegten Grab geschafft hat, wird ihm ganz anders: auf dem Holzkreuz steht sein eigener Name. Ist das nun ein dummer Streich oder hat es jemand auf ihn abgesehen?

Eine erste Spur tut sich auf, als er einen Anruf von Heinz Rösler erhält, einem ehemals legendären Seriendieb, der ihm bei der Aufklärung bei einem seiner spektakulärsten Fälle, einem Kunstraub, geholfen hatte. Rösler teilt ihm mit, dass der an diesem Kunstraub beteiligte Albert Mang, genannt der Schutzpatron, wieder in der der Nähe ist und eventuell hinter der Sache stecken könnte. Als Kluftinger von Dr. Langhammer (natürlich) darauf aufmerksam gemacht wird, dass es sich bei dem Spruch auf dem Kreuz um ein Zitat von Albertus Magnus handelt, ist Kluftiger sich ziemlich sicher, dass Rösler ihn auf die richtige Spur gebracht hat. Dazu passt auch, dass in einem Museum oberhalb des Kochelsees ein wertvolles Gemälde, das den Friedhof (!) von Kochel darstellt, trotz hochmoderner Sicherheitsvorkehrungen gestohlen wurde.

Kurz darauf taucht in der Zeitung eine Todesanzeige mit seinem Namen und dem Spruch „We’ll fly you to the promised land“ auf, ein Spruch, der ihn an ein Ereignis in seiner Jugend erinnert, ein dunkles Kapitel, dass er bisher erfolgreich verdrängt hatte.

Die anderen fünf erhoben sich, bildeten einen Kreis, und jeder streckte die rechte Hand so in die Mitte, dass sie sich alle über der Glut trafen. Ich schwöre, über die Sache heute abend mit niemandem außer der Clique zu sprechen, egal, was kommt. Für immer und ewig. Auf Leben und Tod“, sagte Hotte eindringlich, und alle sprachen die Worte murmelnd nach. (Seite 151)

Das damals erlebte war wohl für Kluftinger auch mit einer der Gründe, später in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und ebenfalls Polizist zu werden. Im weiteren Verlauf der Handlung taucht noch ein weiterer Hinweis des Täters auf: in der Kirche findet seine Mutter beim Rosenkranzgebet Sterbebildchen, darauf ein ca. dreißig Jahre altes Foto von Kluftinger.

Das Bild sah aus, als habe man es von einem anderen kopiert. Er stutzte. War das nicht das Portrait, das er beim Fotografen hatte machen lassen, für seinen ersten Dienstausweis als Steifenpolizist? Es war auch einmal in einer Zeitung veröffentlicht worden, damals, bei seinem ersten großen Fall am Funkensonntag. Dieser grauenvollen Geschichte, in die er nur durch Zufall hineingeraten war und die doch so viel verändert hatte. (Seite 279)

Kluftinger hat es somit gleich mit Spuren zu drei alten Fällen zu tun, die einen eventuellen Täter veranlassen könnten, ihm nach dem Leben zu trachten.

In Kluftinger, dem mittlerweile zehnten dieser Reihe, geben die Autoren auch Einblick in die Jugendzeit von Kommissar Kluftinger, sowohl in negative (mit seiner alten Clique) als auch in positive Ereignisse; sehr schön der mit Augenzwinkern geschilderte erste Besuch seiner damaligen Freundin Erika (seiner jetzigen Ehefrau) bei seinen Eltern, aber auch die erste Begegnung mit seinem späteren, damals noch jugendlichen, Intimfeind Dr. Langhammer. Man erfährt auch, wie Kluftinger durch seine Mitarbeit in einem spektakulären Mordfall vom einfachen Steifenpolizisten zum Kripobeamten wird und dass er einstmals die Bewerbung eines mittlerweile auch berühmten Kommissars (ein wunderbarer Seitenhieb der Autoren, gemeint ist der Garmisch-Partenkirchener Kommissar Jennerwein, Alpenkrimilesern wahrscheinlich ebenfalls bestens bekannt) als neuer Mitarbeiter für sein Team abgelehnt hat. Auch die bisher bekannten Sticheleien unter den Kollegen sind wieder dabei, allerdings muss sich Eugen Strobl bei den Autoren irgendwie unbeliebt gemacht haben. Der kommt diesmal ziemlich schlecht weg, andererseits spielt er aber auch eine bedeutende Rolle, als es für Kluftinger gefährlich wird.

Was den Plot besonders auszeichnet, ist die Verknüpfung von bisherigen Fällen des Kommissars, sowohl von uns Lesern bisher unbekannten Mordfällen als auch dem aus Band sechs (Schutzpatron) bekannten Kunstraub. Mit dieser genialen Idee, die Kluftingers neuen Fall zwischen Vergangenheit und Gegenwart ansiedelt und nicht nur den Kommissar, sondern auch uns Leser immer wieder von einer augenscheinlich sicheren Spur abbringt, haben die Autoren etwas besonderes für den Jubiläumsfall geschaffen.

Die auch in der Vergangenheit unterschiedlichen Handlungsstränge sind in einem sich stetig steigernden Spannungsbogen verknüpft. Aber auch der aus den bisherigen Romanen bekannte Humor kommt nicht zu kurz. Etwas, was mir immer sehr gut gefällt, weil er Kluftinger auch sehr sympathisch macht: ein gewiefter Kommissar mit Fehlern und Schwächen, die er nicht so gerne zugibt (zum Beispiel die Schwierigkeiten des Enkelhütens, denen er versucht, mit technischen Möglichkeiten Herr zu werden), ihn aber sehr menschlich rüberkommen lassen.

Fazit: Alles in allem ein sehr gelungener Roman, Lesevergnügen pur. Für mich mit einer der besten der Reihe und auf jeden Fall empfehlenswert. Ob der Schlussabsatz bereits auf den nächsten Fall hinweist? Ich bin gespannt!

Volker Klüpfel, Jahrgang 1971, stammt wie der Kommissar aus Altusried und lebt mit seiner Familie im Allgäu, studierte in Bamberg Politikwissenschaft und Geschichte. Nach einer Tätigkeit bei einer Zeitung in den USA, der Augsburger Allgemeinen und beim Bayrischen Rundfunk entschied er sich jedoch endgültig für die Schriftstellerei.
Michael Kobr, Jahrgang 1973, geboren in Kempten/Allgäu, lebt mit seiner Familie im Unterallgäu, studierte in Erlangen Germanistik und Romanistik und arbeitete zunächst als Realschullehrer, diese Tätigkeit gab er (zum Glück) zugunsten der Schriftstellerei auf.

Die bisherigen Bücher brachten ihnen bereits mehrfach Auszeichnungen ein; mittlerweile halten sie an unterschiedlichsten Orten stets gut besuchte Lesungen mit schauspielerischem Einsatz, vor kurzem lieferten sie sich sogar in SAT 1 ein Krimi-Duell mit einem tatsächlichen Ermittler, das sie – wenn auch knapp – gewannen. Man darf auf Weiteres gespannt sein.

 

Rezension und Foto von Monika Röhrig.

Kluftinger | Erschienen 27. April 2018 bei Ullstein
ISBN 978-3-550-08179-8
480 Seiten | 22.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Rezensionen zu Grimmbart, dem 8. Band dieser Reihe, auf krimirezensionen.de

Hannah O’Brien | Irisches Erbe Bd. 4

Hannah O’Brien | Irisches Erbe Bd. 4

Irisches Erbe ist der vierte Fall für das Ermittlerteam um Grace O’Malley und spielt im County Galway in der Republik Irland. Grace O’Malley und ihr Kollege Rory Coyne von der Mordkommission in Galway müssen ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit wegen mehrerer Morde, verübt in zwei Kirchen des County, ermitteln. Die Opfer waren jeweils Gemeindehelferinnen, aufgefunden wurden die Mordopfer merkwürdigerweise immer von demselben Priester, Father Duffy. Aufgrund der Umstände (beide Morde im Abstand von je einer Woche an einem Adventwochenende, beide mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen) liegt die Vermutung nahe, dass es sich um einen Serientäter handeln könnte.

Grace erfährt im Gespräch mit der Gemeindesekretärin, Mary O’Shea, dass Father Duffy für insgesamt drei der Gemeinden im Westen des County Galway zuständig ist, in der Gemeinde Maycullen, in der der zweite Mord verübt wurde, ist er kurzfristig als Ersatz für einen erkrankten Kollegen eingesprungen. Somit ist Father Duffy höchst verdächtig und Grace sieht sich unter Zugzwang (vier Gemeinden, vier Adventwochenenden, bereits zwei Morde).
Allerdings könnte es sich auch um einen Racheakt gegen Father Duffy handeln, indem man ihn als Täter darstellt. Wie sich bei den Befragungen herausstellt, war dieser in den 90er Jahren, als es in Nordirland noch Kämpfe zwischen der (katholischen) IRA und der (protestantischen) UDA gab, in Belfast eingesetzt.

Grace hatte die Beine übereinandergeschlagen und studierte sein Gesicht. „Father Duffy, ich möchte zunächst mit Ihnen über ein Ereignis sprechen, das schon sehr lange zurückliegt und scheinbar nichts mit unseren Fällen hier zu tun hat.“ Duffys Gesichtsausdruck wirkte ratlos. Er sagte jedoch keinen Ton. “Sie waren in den Neunzigerjahren Priester in der Falls Road in Belfast. Ist das richtig?“ Duffys Augen waren vor Schreck geweitet. Er nickte heftig. „Soweit wir wissen, begegneten Sie eines Nachts in Ihrer Kirche einem schwerverletzten militanten Unionisten, dem Sie zu Hilfe kamen.“ (Seite 295)

Tatsächlich führen die Ermittlungen Grace und Rory zurück in die Vergangenheit; sie erfahren allerdings auch von Begebenheiten, die man in einem kirchlichen Umfeld nicht unbedingt erwartet, vor allem nicht in der heutigen Zeit:

Father McLeish räusperte sich schließlich. „Nun, die Kirche hat durch das Fehlverhalten Einzelner – und ich betone Einzelner – bedauerlicherweise an Glaubwürdigkeit verloren. Und durch das Fehlverhalten vieler – und ich betone vieler – Priester heutzutage, die bereit sind, Homosexualität und andere unnatürliche Verfehlungen in ihrer Mitte zu dulden und nicht konsequent auszumerzen, wie Scheidung oder das sogenannte Recht auf Abtreibung, hat sie noch viel mehr an Boden verloren, was den Glauben und die Glaubwürdigkeit der einzigen Kirche Gottes und seines Sohnes betrifft. Es musste etwas geschehen.“ (Seite 409)

Die Autorin Hannah O’Brien hat in ihrem Roman die Lebensläufe mehrerer Protagonisten zu einer spannenden Handlung verknüpft. Bis zur Auflösung ist man als Leser hin- und hergerissen zwischen „..ich glaube, ich weiß wer’s war“ und „….kann aber eigentlich doch nicht sein“. Wie sich herausstellt, sind die Motive für die Morde andere als zunächst vermutet  und witzigerweise wird einer der Morde durch einen Handy-Klingelton bewiesen.

Was mich an dem Buch auch beeindruckt hat, ist die Einbindung der irischen Vergangenheit, die auch von der Autorin erläutert wird, sowohl in der Handlung als auch im anschließenden Glossar, man spürt die Verbundenheit der Autorin mit ihrer Wahlheimat. Sozusagen als „Bonbon“ gibt es noch die ausführliche Vorstellung der Protagonisten und eine Landkarte, auf der die im Buch genannten Orte zu finden sind.

Fazit: Eine Handlung zwischen irischer Vergangenheit (nicht nur der politischen, sondern auch der kirchlichen) und Gegenwart, spannend bis zum Schluss!

Hannah O’Brien ist ein Pseudonym von Hannelore Hippe-Davies, geboren 1951 in Frankfurt am Main. Sie lebte lange in ihrer Wahlheimat Connemara und fühlt sich dort bis heute zu Hause. Sie arbeitet seit 1985 als freie Journalistin, vorwiegend für die Rundfunkanstalten der ARD und schrieb zahlreiche Features und Hörspiele bzw. -dokumentationen sowie Romane, allerdings nicht nur Kriminalromane, sondern auch „kulinarische Entdeckungsreisen“. Ab 2015 schrieb sie dann unter dem Pseudonym über die Ermittlerin Grace O’Malley.

 

Rezension und Foto von Monika Röhrig.

Irisches Erbe | Erschienen am 9. März 2018 bei dtv
ISBN 978-3-423-21720-0
432 Seiten | 9.95 Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Nicola Förg | Rabenschwarze Beute

Nicola Förg | Rabenschwarze Beute

Rabenschwarze Beute ist der neunte Fall für die Kommissarinnen Irmi Mangold (ruhig und besonnen, Single, lebt mit ihrem Bruder auf einem Bauernhof) und Kathi Reindl (von Irmi auch mal als rotzfreche Göre und wilde Hummel charakterisiert, Mutter einer Tochter). Der Fall ereignet sich in Murnau am Staffelsee, im oberbayrischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen.

Silvester in Murnau; Markus Göldner, Architekt, will mit seiner Freundin Beate Mutschler, einer Ärztin, in deren Wohnung das alte Jahr ausklingen lassen. In ihrer Harmonie gestört werden die beiden allerdings durch die Knallerei eines Nachbarn, Rudolf Rieser, der statt Silvesterböller eine Schreckschusspistole benutzt, und das bereits weit vor Mitternacht. Als dieses Geknalle auch nach halb eins nicht aufhört, platzt Markus der Kragen: er reißt die Balkontür auf und droht dem Nachbarn mit der Polizei. Als Beate kurz darauf auch auf den Balkon tritt, ist Markus verschwunden. Wie sich herausstellt, wurde er durch einen Schuss ins Herz getötet und fiel auf die Grasfläche zwischen den Häusern.

Bei der Ankunft von Irmi Mangold am Tatort sind zwar jede Menge Nachbarn im Treppenhaus versammelt, jedoch kann keiner ihr einen näheren Hinweis auf den Tatablauf oder den Täter geben. Die noch total geschockte Beate ist kaum vernehmungsfähig, erwähnt aber noch, dass Markus sich über die Knallerei von Rieser aufgeregt hatte, weil dadurch die Vögel aufgeschreckt würden. Irmi befragt zwar Rudolf Rieser, der streitet jedoch alles ab.

„Was soll ich getan haben?“ „Einen Mann vom Balkon geschossen, der über Ihre Schießübungen nicht so erbaut gewesen ist. (…)“ „Jetzt pass mal auf, du siebengescheite Urschel. Ich hab den gesehen. Ob der was gebrüllt hat, weiß ich nicht. Ich hatte Gehörschutz auf. Ich war mit Wichtigerem beschäftigt.“ (…) Er lachte mit einer fiesen Polterstimme. (Seite 32)

Wie Irmi später erfährt, war Markus Gölden ein engagiertes Mitglied beim Landesbund für Vogelschutz. Das ging soweit , dass er sich mit seinem Partner im Architektenbüro anlegte, wenn er durch ein geplantes Projekt den Vogelschutz gefährdet sah – ein Motiv?

Kurz darauf finden Irmi und Kathi heraus, dass Markus Göldner auch Rudolf Rieser (der mit der Knallerei an Silvester) in die Quere gekommen ist: ein von diesem geplantes Feuerwerk an Sonnwend wurde wegen Einwänden von Markus verboten, Rieser blieb auf den bereits einkauften Lebensmitteln für das Fest sitzen. Reicht das doch für einen Mord?

Nicola Förg legt bereits zu Beginn ihres Romans zahlreiche Spuren, im weiteren Verlauf der Handlung kommen allerdings noch weitere hinzu, unter anderem Gegner (wieder Göldner) und Befürworter von Windkraftanlagen. Einer davon schreckt auch vor Maßnahmen nicht zurück, die keineswegs legal sind.

Irmi starrte auf die Bilder. Sailer stand der Mund leicht offen. „Hot der, hot der…?“ „Ich würde mal sagen, er hat Jungvögeln den Kragen umgedreht und den Altvogel vom Himmel geschossen.“, entgegnete Irmi leise. (Seite 177)

Aber auch der Tod eines kleinen Mädchens, ein schwerer Unfall mit mehreren Toten in der Vergangenheit und eine verschwundene Modebloggerin halten Irmi und Kathi auf Trab. Den tatsächlichen Mörder haben sie dadurch erst spät auf dem Schirm.

Insgesamt ist der Handlungsverlauf spannend aufgebaut, auch wenn mich die Auflösung, das tatsächliche Motiv, im Hinblick auf den Beginn der Handlung, den Buchtitel und das Cover nicht so ganz zufrieden stellt. Erwähnenswert sind für mich die zahlreichen Hinweise auf den Vogel- bzw. Artenschutz, hier erkennt man die Autorin als sehr gut informiert und engagiert.

Fazit: Rabenschwarze Beute ist eine spannende Lektüre mit Bezug zur erschreckenden Realität im Tier- und Umweltschutz.

Nicola Förg, geboren 1962 in Kempten (Allgäu), ist seit 1991 freie Journalistin und verfasste mehrere Reiseführer. Sie ist engagierte Tierschützerin und betreut die wöchentliche Tierseite im Münchener Merkur. Für ihre Bücher bekam sie mehrere Preise für ihr Engagement rund um den Tier- und Umweltschutz. Seit 2003 schreibt sie Kriminalromane, zunächst über Kommissar Weinzierl, ab 2009 dann auch über Kommissarin Mangold. Dieses Buch ist der neunte Band aus der Mangold-Reihe.

 

Rezension und Foto von Monika Röhrig.

Rabenschwarze Beute | Erschienen 2018 bei Pendo im Piper Verlag
ISBN 978-3-86612-419-6
352 Seiten | 16.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Monikas Rezension zu Nicola Förgs Krimi Donnerwetter