Andreas Föhr | Schwarzwasser

Andreas Föhr | Schwarzwasser

Als Kommissar Wallner, Chef der Kripo Miesbach, die Nachricht erhält, man habe die Leiche eines alten Mannes gefunden, bleibt ihm beinahe das Herz stehen: Seit Stunden ist sein Großvater Manfred abgängig und auf dem Handy nicht zu erreichen …

Am Tatort angekommen, stellt Wallner erleichtert fest, dass Manfred wohlauf ist – er und Polizeiobermeister Leonhardt Kreuthner haben den Toten – Klaus Wartberg – entdeckt. Am Tatort findet sich auch eine verstörte junge Frau, die die Tatwaffe in der Hand hält. Hat sie Klaus Wartberg ermordet? Schon bald stellt sich heraus, dass der Ermordete gar nicht tot sein dürfte. Ihn hat es nämlich nie gegeben. Seine Papiere sind gut gemachte Fälschungen, der Lebenslauf ist frei erfunden, Freunde oder Familie gibt es nicht. Wer also war der Tote wirklich? Was verbindet ihn mit der jungen Frau? Und warum musste er eine andere Identität annehmen? (Verlagsinfo)

Auch in Schwarzwasser treten wieder die üblichen Protagonisten (Streifenpolizist Kreuthner, Kommissar Wallner und – der darf natürlich auch nicht fehlen – dessen Opa Manfred) auf; trotzdem ist so einiges anders als in den bisherigen Romanen.
Insbesondere spielt die Vergangenheit eine Rolle, sowohl in dem Ursprung des Kriminalfalls, in dem Wallner diesmal tätig werden muss, als auch in dessen Familie.

Der Prolog spielt im Herbst des Jahres 1996 in Berlin. Der Privatdetektiv Axel Baum wird von einem Geschwisterpaar engagiert, das um sein Erbe fürchtet. Ihr Onkel, Inhaber der Schwarzwasser GmbH, beabsichtigt anscheinend, Miriam Cordes, eine junge Frau mit etwas zweifelhafter Vergangenheit, die er über eine Begleitagentur kennen gelernt hat, als Haupterbin einzusetzen. Das Testament ernennt den Rechtsanwalt Dieter Sitting zum Testamentsvollstrecker, der dadurch nun in der Schwarzwasser GmbH das Sagen hat.

In einer später geschilderten Episode aus dem Frühjahr 1996 landet Miriam Cordes wegen eines Drogendelikts vor Gericht. Ihr Verteidiger ist Rechtsanwalt Dieter Sitting, bisher nur mit kleineren Fällen beschäftigt und daher immer etwas klamm.
Aufgrund seiner Verteidigung im Fall Cordes wird auch ein reicher Geschäftsmann, Gregor Nolte, auf ihn aufmerksam, der ihn nach und nach zu seinem Firmenanwalt aufbaut. Leider merkt Sitting zu spät, dass Nolte skrupellos ist und ihn bereits dazu gebracht hat, gegen die Regeln seines Berufsstandes zu verstoßen – nur eine kleine Sache, aber ausreichend, ihn zu erpressen. Er soll unter anderem als Kurier nach Russland eingesetzt werden, um eine Liste zu überbringen, die einige Leute in Gefahr bringen würde.

Als er versucht, das Geschäftsverhältnis mit Nolte aufzulösen, merkt er erst, wie gefährlich dieser ist. Er findet seine Sekretärin Silvia Marek, mit der er auch privat verbunden ist, schwer verletzt in seiner auf links gedrehten Kanzlei. Sitting sieht für sich nur eine Möglichkeit, Gregor Nolte, der, wie sich herausstellt, ein ehemaliger KGB-Agent war, zu entkommen. Er taucht ab! Und wie später bekannt wird, ist er durch den Verkauf der Schwarzwasser GmbH, die im Jahr danach in die Insolvenz ging, zu dem nötigen Geld für seine Flucht gekommen. Über Nolte erfährt man im Verlauf der Handlung noch, dass er bei einem Autounfall umgekommen ist.

Zwanzig Jahre später ereignet sich in Miesbach ein Mordfall, der Wallner einige Rätsel aufgibt. Gefunden wird die Leiche – wie könnte es anders sein – wieder einmal von Kreuthner. Der hat die glorreiche Idee, zu später Stunde während des Faschingstreibens in der Mangfallmühle Michaela Hundsgeiger, in die er sich bereits vor Jahren verguckt hat, dazu zu bringen, mit ihm nach Hause zu fahren. Da sein eigenes Zuhause nicht präsentabel ist, lässt er sich vom Kneipenwirt den Schlüssel zu einem Haus geben, in dem Lara Evers, Bedienung in der Mangfallmühle, bei einem älteren Herrn, Klaus Wartberg, wohnt. Dieser Wartberg soll angeblich verreist sein, also fährt Kreuthner in Begleitung von Michaela und dem als Sensenmann verkleideten Opa Wallner als Chauffeur (Kreuthner hat zu diesem Zeitpunkt gerade keinen Führerschein wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss! Die Beschreibung der Fahrt von Opa Wallner ist schon ein kleines Bonbon in der Handlung.) zu dessen Haus. Es stellt sich heraus, dass Klaus Wartberg keineswegs verreist ist, sondern vielmehr erschossen in seinem Bett liegt. Kurz nach dieser verstörenden Entdeckung kommt es allerdings noch schlimmer: Lara Evers steht plötzlich, einen ziemlich orientierungslosen Eindruck vermittelnd, im Zimmer, eine Pistole in der Hand. Als Kreuthner sie anspricht, starrt sie ihn zunächst nur an, doch dann schreit sie auf und schießt.

Wallner, der in der Zwischenzeit nach Hause gekommen ist und bereits seinen Opa vermisst, wird zu einem Tatort gerufen. Laut Mitteilung ist der Tote ein älterer Mann  und Wallners Auto steht vor dem Haus, in dem sich das Ganze ereignet hat! Große Erleichterung macht sich breit, als er seinen Opa noch lebend vorfindet – und Kreuthner nur leicht verletzt; doch die weiteren Begebenheiten des Falls machen ihm dann seine Arbeit nicht gerade leicht. Wie sich herausstellt, war die Identität des Toten gefälscht. Zeitungsausschnitte, die im Haus Wartberg gefunden werden und in denen über den Schwarzwasser-Skandal berichtet wird, lassen vermuten, dass der Tote in Wirklichkeit der untergetauchte Anwalt Sitting war.

Ein Testament von Wartberg bringt dann auch noch die ehemalige Sekretärin von Sitting, Silvia Marek ins Spiel. Diese arbeitete bei der Anwaltskanzlei, die das Testament aufgesetzt hatte und ist seit einigen Tagen nicht mehr zur Arbeit erschienen; kurz danach wird ihre Leiche aufgefunden. Sie hat sich augenscheinlich erhängt, der Hocker und ein Rest des Seils an einem Deckenhaken sind noch vorhanden, die Leiche liegt aber merkwürdigerweise im Bett. Im Verlauf der Handlung kommt auch noch ein Halbbruder von Sitting, Rüdiger Ott, der in Spanien lebt, ins Spiel. Dieser identifiziert den Toten, wenn auch zögerlich, als Dieter Sitting.

Andreas Föhr hat für Schwarzwasser einen genialen Plot gebastelt, der – immer wieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart wechselnd – sowohl Spannung als auch Humor enthält. Wie Wallner mit den sich stetig ändernden Gegebenheiten fertig wird und zum Schluss das Rätsel um die Identität des Toten löst, ist bewundernswert. Als Leser zweifelt man bis kurz vor Schluss und kann sich irgendwie zwischen den vorhandenen Möglichkeiten nicht entscheiden. Auch erwähnenswert sind natürlich die Schilderungen der Kreuthner´schen Raffinesse. Kreuthner spielt mal wieder eine besondere Rolle. Unter anderem macht er sich der Gefangenenbefreiung (bei der er einen verhassten Kollegen – ich sage nur: Führerscheinentzug – in Bedrängnis bringt) und der Schwarzbrennerei schuldig. Kreuthner bringt immer Leben ins Geschehen.
Zusätzlich spielt in einem weiteren Handlungsstrang der lange verschwundene Vater von Kommissar Wallner eine Rolle – Familienzusammenführung der besonderen Art.

Für mich hat das Buch alles, was der geneigte Krimileser braucht; es fällt schwer, das Buch wieder aus der Hand zu legen, wenn man einmal angefangen hat.

Fazit: Sehr empfehlenswert, wenn man auf diese Art des Krimis steht – weder blutrünstig noch zu kühl in den Handlungen der einzelnen Beteiligten, die einem fast wie gute Bekannte erscheinen; man fühlt sich irgendwie eingebunden und durch den immer wieder neben der durchaus vorhandenen Spannung auch aufblitzenden Humor gut unterhalten.

 

Rezension und Foto von Monika Röhrig.

 

Schwarzwasser | Erschienen am 1. Juni 2016 bei Droemer Knaur
ISBN 978-3-426-65421-7
400 Seiten | 14,99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Noras Rezension zu Andreas Föhrs Krimi Totensonntag und Andreas  Rezension zu seinem Krimi Eisenberg.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert