Tag: 28. März 2019

Dario Correnti | Kälter als der Tod

Dario Correnti | Kälter als der Tod

„Und wieso lässt er so leichtsinnig seine DNA-Spuren an den Opfern zurück, als hätte er keine Angst, dass man ihn findet? Auch das ist merkwürdig. Der Täter ist organisiert und rational, jemand mit mittlerer oder höherer Bildung. Er muss sich doch im Klaren sein, dass man von allen Leuten in der Gegend unter irgendeinem Vorwand Speichelproben nehmen wird.“ (Auszug Seite 111)

In einem kleinen Dorf in den italienischen Alpen nahe Bergamo wird die grausam entstellte Leiche einer jungen Frau gefunden. Der brutale Mörder hat nicht nur jede Menge Spuren hinterlassen, sondern auch einen Teil aus ihrer Wade gebissen, sodass die Ermittler Satanismus nicht ausschließen. Als einer der ersten am Tatort ist der erfahrene Gerichtsreporter Marco Besana.

Der Protagonist in diesem Thriller ist ein Kriminalreporter älteren Semesters. Marco Besana ist 58 und steht kurz vor der Rente. Er fühlt sich von seinem Arbeitgeber aufs Abstellgleis geschoben, die jüngeren Journalisten sitzen in der Redaktion schon in den Startlöchern. Auch privat hat er mit Problemen zu kämpfen, nach einer Affäre mit einer blutjungen Praktikantin hatte sich seine Ehefrau von ihm getrennt und das Verhältnis zu seinem Sohn abgekühlt.

Eine alte Fallakte aus dem 19. Jahrhundert

Weitere Frauen werden ermordet und auf ähnliche Art und Weise drapiert. Alle Zeichen deuten auf einen Serienkiller. Für Besana ist es vielleicht der letzte große Fall und der versierte und mit allen Wassern gewaschene Reporter tut sich mit der jungen 26-jährigen Praktikantin Ilaria Piatti zusammen. Die junge, auf andere Menschen etwas verschroben wirkende Praktikantin findet einen überraschenden Zusammenhang. Die Spur führt zu einer Mordserie ins 19. Jahrhundert. Der aktuelle Täter scheint die grausamen Taten aus dem Jahre 1870 nachzuahmen. Der Thriller wird regelmäßig mit Einschüben aus dieser Zeit unterbrochen.

Das ist einigermaßen unterhaltsam, hat man aber leider alles schon mal besser gelesen. In einfacher Sprache werden keine Bilder erzeugt und es entsteht kein Kopfkino. Nach dem Studium des Klappentextes hatte ich mir extreme Witterungsverhältnisse vorgestellt. Ich dachte, dass das eisige Klima eine Rolle spielen würde und hoffte auf eine beklemmende Atmosphäre in dem eingeschneiten Bergdorf. Leider Fehlanzeige! Die Einbettung dieser klassischen Thriller-Elemente versäumt der Autor bzw. die Autoren. Denn hinter dem Pseudonym Dario Correnti verbergen sich zwei italienische Autoren. Mehr Informationen erhält man leider nicht. Ich würde aber vermuten, dass sie genau wie ihr Protagonist aus dem Verlagswesen kommen. Die Beschreibungen des Redaktionsalltags mit den Konferenzen, den Kämpfen mit den Ressortleitern und Chefredakteuren nehmen viel Raum ein und sind sehr authentisch beschrieben. Durch permanenten Stellenabbau weht auch hier ein rauer Wind, was ich sehr interessant fand.

Der Macho und die Neurotikerin

Der ruppige Marco Besana will zum Ende seiner Karriere einen glanzvollen Schlusspunkt setzen und Ilaria Piatti muss sich erst noch ihre Sporen verdienen. Besana nimmt die immer etwas verpeilt wirkende junge Frau unter seine Fittiche und erklärt ihr und auch dem Leser die Tricks und Regeln der Medienwelt. Das unkonventionelle Ermittlerpaar ist für mich ein Pluspunkt des Thrillers. Die beiden Außenseiter kommen sich näher und verstehen sich inklusive amüsanter Kabbeleien immer besser.

„Aus einer derartigen Befragung kann man wohl kaum irgendein Profil herauslesen“, entgegnet Besana. „Was soll der Tabakverkäufer schon über ihn wissen? Du trinkst ja auch jeden Morgen in der Bar nebenan deinen Kaffee, aber kennt dich der Typ hinter dem Tresen deswegen? Er könnte allenfalls sagen, dass du ein nettes Mädchen bist.“ „Ich bin ja auch ein nettes Mädchen!“ „Natürlich, aber wenn du morgen jemanden tötest, würde es ihm nicht auffallen.“ (Seite 339)

Aber es wird auch kein Klischee ausgelassen. Da ist der ständig flirtende Marco und selbstverständlich hat Ilaria ein düsteres Familiengeheimnis, dass sie so neurotisch hat werden lassen. Wie oft die beiden Protagonisten in Restaurants zusammen saßen inklusive genauer Beschreibungen des Essens konnte ich nicht mehr zählen. Kälter als der Tod ist ein durchschnittlicher Thriller, der mich nicht wirklich verärgert hat, mir aber kostbare Lesezeit gestohlen hat.

 

Rezension und Foto von Andy Ruhr.

Kälter als der Tod | Erschienen am 12. November 2018 im Penguin Verlag
ISBN 978-3-328-10367-7
512 Seiten | 10.- Euro
Bibliografische Angabe & Leseprobe