Monat: November 2018

Stewart O’Nan | Stadt der Geheimnisse

Stewart O’Nan | Stadt der Geheimnisse

Während seine Papiere – wie sein gegenwärtiges Leben, könnte er sagen – passable Fälschungen waren, war seine Taxilizenz eine an der vorderen Stoßstange befestigte Metallplakette, die viel schwerer zu bekommen war als die Papiere, völlig echt. Und dennoch, da er schon einmal verhaftet worden war – als er in Riga an seinem Tisch in seinem Lieblingscafé gesessen hatte -, wusste er, dass man als Jude nirgends sicher war. (Auszug Seite 16)

Der lettische Jude Brand hat seine ganze Familie im zweiten Weltkrieg und Holocaust verloren und kommt 1946 als illegaler Flüchtling nach Palästina. Dort wird er vom jüdischen Widerstand gegen die britische Besatzungsmacht mit gefälschten Papieren und einer Taxilizenz ausgestattet. Brand, der sich nun Jussi nennt, wird Teil einer Widerstandszelle. Es werden erste Anschläge verübt, zunächst ohne Menschen zu gefährden. Doch der Widerstand wird radikaler und Brand muss sich klar machen, ob dies auch sein Kampf ist.

Brand lernt in Jerusalem die Witwe Eva kennen. Ehemals Schauspielerin und eine bildhübsche Frau, ist bei ihr nun die Mimik einer Gesichtshälfte durch eine Narbe zerstört. Sie verdient ihren Lebensunterhalt als Prostituierte, zu ihren Terminen bringt Brand sie mit seinem Taxi. Auch Eva ist Teil der Widerstandszelle, zu der noch eine Handvoll weitere Personen gehören. Chef der Zelle ist der undurchsichtige Asher. Zu Beginn begehen sie nur kleinere Anschläge, etwa gegen die Stromversorgung. Doch Brand bemerkt die zunehmende Radikalisierung. Die der Untergrundorganisation Hagana zugeordnete Gruppe kommt in Kontakt zu Leuten der radikalen Irgun. Die Radikalisierung verunsichert Brand. Der Kampf um „Eretz Israel“ scheint ihm gerecht, aber mit welchen Mitteln?

Autor Stewart O’Nan ist dem Leser eigentlich als Porträteur der amerikanischen Gesellschaft bekannt. Sein letztes Buch „Westlich des Sunset“ handelt von Schriftsteller Francis Scott Fitzgerald und vom Hollywood der 1930er Jahre. Insofern ist Stadt der Geheimnisse als Spionagegeschichte eine bemerkenswerte Anomalie im sonstigen Werk des Autors.

Das Buch spielt im Jahr 1946 vor dem Hintergrund des israelisch-jüdischen Kampfes um einen unabhängigen Staat. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts durch die zionistische Bewegung die Bildung eines jüdischen Staates im alten Siedlungsgebiet in Palästina wieder stark betrieben wurde, kam es zu verstärkten Auswanderungswellen von Juden. 1917 hatte die Briten in der Belfour-Deklaration die Forderung der Zionisten unterstützt, unter starkem Protest der Araber der Region. Nach dem ersten Weltkrieg erhielt Großbritannien das Völkerbundsmandat über Palästina. In der Folgezeit kam es weiterhin zu einer starken Einwanderung nach Palästina und einer größeren Gewaltbereitschaft jüdischer und arabischer Bevölkerungsgruppen. Die Juden gründeten paramilitärische Einheiten wie die gemäßigte Hagana oder die radikalere Irgun. Durch die Ereignisse des zweiten Weltkriegs verschärfte sich die Situation zudem. Der jüdische Widerstand richtete sich nun verstärkt gegen die Briten, die das Mandatsgebiet räumen und einen jüdischen Staat ermöglichen sollten.

Sein altes Leben war vorbei, sein neues ein Scherbenhaufen und Schwindel. Zur Feier des Tages ging er mit einem Glas Johnnie Walker in seiner Wohnung auf und ab, drückte die Nase ans kalte Fenster und hinterließ einen schmierigen Fleck. Die brummende, taumelnde Schwermut einsamer Betrunkener. (Seite 92)

Dennoch bleibt sich der Autor treu, indem er eine Figur, nämlich Brand, in den Vordergrund stellt und die Ereignisse vollständig aus dessen Sicht durch einen personalen Erzähler beschreibt. O’Nan geht es dabei konkret um das Innenleben seines Protagonisten, eine Figur voller Schwermut, der vor den Scherben seines Lebens steht und dem nun mit seiner Beteiligung an der Widerstandsgruppe eine neue Aufgabe zugeteilt wurde. Doch „die Erinnerung gärte in ihm wie eine Krankheit“ (Seite 58). Er verliebt sich in Eva und doch bleibt die nur eingeschränkt erwiderte Liebe schal im Vergleich zu den Erinnerungen an seine verstorbene Frau Katja. Er war nie wirklich ein gläubiger Jude, nun kämpft er für die Unabhängigkeit Israels.

Ein wenig schade ist es, dass sich der Autor durch die eingeschränkte Erzählperspektive einer gewissen Dynamik beraubt. Eine nähere Betrachtung der Ereignisse durch verschiedene Figuren hätte für mich noch mehr Reiz gehabt. So kann man diesen Roman meines Erachtens dann auch nur eingeschränkt als Spionageroman einordnen, da Reaktionen der Gegenseite kaum eine Rolle spielen. So hinkt der Vergleich der New York Times zu Le Carrés „Der Spion, der aus der Kälte kam“ auf der Rückseite des Buches dann doch ein wenig.

Der Roman überzeugt dafür an anderer Stelle. Die unruhige, brodelnde Atmosphäre des dennoch florierenden Jerusalem wird sehr überzeugend in Szene gesetzt. Daneben ist diese Geschichte eines gebrochenen Mannes, der mit sich um den letzten Rest Liebe, Moral und Anstand ringt, durchaus fesselnd. So bleibt am Ende ein positives Fazit, obwohl die Winkelzüge, Manöver und Suspense eines klassischen Spionageromans etwas zu kurz kommen.

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

Stadt der Geheimnisse | Erschienen am 23. Oktober 2018 im Rowohlt Verlag
ISBN 978-3-498-05044-3
224 Seiten | 20.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Diese Rezension erscheint im Rahmens unseres .17specials Ein langes Wochenende mit… Spionageromanen.

Mick Herron | Slow Horses

Mick Herron | Slow Horses

River hatte die Zielperson fast erreicht – er war eine halbe Sekunde entfernt. Aber er war nicht annähernd nahe genug. Die Zielperson zog an einer Schnur am Gürtel. Und das war’s. (Auszug Seite 22)

Fiasko am Londoner King’s Cross Bahnhof

Ohne große Einleitung finden wir uns mitten in einer missglückten Observierung wieder. Am Londoner Hauptbahnhof verfolgt der junge MI5-Agent River Cartwright aufgrund einer Verwechslung die falsche Zielperson.

Die Handlung nimmt Fahrt auf, denn es gilt einen Terroranschlag zu verhindern. Dabei gelingt es dem Autor glänzend, die Hektik und Dramatik dieses Szenarios wiederzugeben. Mit einem flotten, knackigen aber auch bildhaften Schreibstil dreht er gekonnt an der Spannungsschraube bis zum nervenzerreißenden Cliffhanger.

Nach diesem furiosen Start geht es erst mal ruhiger weiter. River Cartwright landet nach dem total missglückten Einsatz im Slough House, einem alten runtergekommenen Gebäude in London. Dieses dient als Auffangbecken für aus verschiedenen Gründen in Ungnade gefallene Agenten. Diese werden von allen nur despektierlich Slow Horses genannt. Eine bunt zusammengewürfelte Truppe von Versagern, abgeschoben vom Hauptquartier im Regent’s Park, die man einfach nicht los wird. Sie werden mit sinnlosen Aufgaben betraut, in der Hoffnung, dass sie aus lauter Frust von selbst kündigen.

Mick Herron nimmt sich viel Zeit für die Einführung seiner Figuren, was ja auch Sinn macht, denn es handelt sich um den Auftaktband einer Reihe, von der in Großbritannien bereits vier weitere Bände erschienen sind. Sein Blick auf die Charaktere ist dabei immer sachlich und distanziert. Außer vielleicht auf River Cartwright, von dem man die meisten Hintergrundinformationen erfährt.

Die lahmen Gäule

Da ist zum Beispiel Min Harper, der eine CD-ROM mit Geheimdienstinformationen im Zug liegen gelassen hat. Oder der sozial inkompetente Computer-Nerd Roderick Ho, der andere Menschen für überflüssig hält. Catherine Standish ist der gute Geist von Slough House, eine 48-jährige trockene Alkoholikerin und ehemalige Privatsekretärin eines hohen Tiers beim MI5, etwa wie Miss Moneypenny. Nur vom korpulenten und ungepflegten Teamleiter selbst weiß niemand die Gründe seiner Abservierung. Dem rätselhaften Jackson Lamb, vor langer Zeit einer Legende im Dienst ihrer Majestät, jetzt nur noch verbittert und faul, scheint es Spaß zu machen, andere Menschen zu verletzen und zu brüskieren. Er wirkt distanziert, was der Autor noch verstärkt, indem wir nur erfahren, was Lamb sagt und tut, aber nie was er denkt.

Die Truppe mag sich untereinander nicht und kommuniziert nur das Nötigste. Sie wirken wie erstarrt in ihren sinnlosen Tätigkeiten und manche hoffen auf Rehabilitierung. Andere wiederum sind völlig desillusioniert und wissen, dass die Rückkehr zum Hauptquartier noch niemandem gelungen ist. Besonders für den ehrgeizigen River erscheinen die Arbeiten besonders frustrierend, und so macht er sich ziemlich lustlos daran, den stinkenden Müll eines Journalisten zu durchsuchen. Dabei kann er noch froh sein, nicht entlassen worden zu sein. Und das auch nur wegen seines Großvaters David Cartwright, genannt OB für Old Bastard, der bis zu seiner Pensionierung eine große Nummer beim britischen Geheimdienst war.

Das ändert sich, als ein Video ins Netz gestellt wird, dass ganz London in Atem hält. Ein junger Mann pakistanischer Herkunft wurde entführt und die Entführer wollen ihn innerhalb zwei Tagen köpfen und diese Hinrichtung live im Netz zeigen. In einem weiteren Erzählstrang verfolgen wir, wie der entführte 19-jährige Hassan um sein Leben bangt. Bei den drei Entführern handelt es sich um nicht besonders clevere, britische Nationalisten. Um mit seiner Todesangst klar zu kommen, nennt Hassan sie in Gedanken Larry, Moe und Curly nach der Komikertruppe The Three Stooges. Wären es zwei, würde er sie Dick und Doof nennen.

Lambs Stimme wurde flach und ausdruckslos. Der Junge auf dem Monitor, die Kapuze über seinem Kopf. Die Zeitung in seiner Hand – es hätte ein Bildschirmschoner sein können. Er sagte: „Dachten Sie etwa, das Rote Telefon würde läuten und Lady Di alle Mann an Deck rufen? Nein, wir werden uns das im Fernsehen ansehen, wie alle anderen auch. Und wir werden nichts unternehmen. Das ist etwas für die großen Jungs, und Sie alle hier dürfen nicht mit den großen Jungs spielen. Oder haben Sie das vergessen?“ (Seite 144)

Londoner Regeln

Es stellt sich heraus, dass der britische Geheimdienst seine schmutzigen Hände mit im Spiel hat und der entführte Junge nur das Werkzeug in einem wirklich niederträchtigen Plan darstellt. Ganz langsam wachen die lahmen Gäule auf, die ja mal ausgebildete Agenten mit Karriereaussichten waren. Die Protagonisten besinnen sich auf ihre Fähigkeiten, gewinnen alte Stärken zurück und wachsen über sich hinaus. Catherine Standish übernimmt die Rolle der Anführerin und brennt auf einmal wieder mit voller Wattzahl. Und es zeigt sich, dass das überhebliche Scheusal Jackson Lamb zur Furie wird, wenn es darum gilt, seine Agenten zu beschützen, die zu Sündenböcken gemacht werden sollen. Aber nicht jeder aus Lambs Team wird es bis zum Ende hin schaffen.

Ab diesem Punkt überschlagen sich die Ereignisse und die Spannungskurve geht durch schnell wechselnde Perspektiven, die manchmal nur eine Seite dauern, und vielen unglaublichen, überraschenden Wendungen deutlich nach oben. Beim Duell mit der Vizedirektorin des MI5, der coolen, opportunen Diana Taverner, genannt Lady Di und dem abgebrühtem Schlitzohr Jackson Lamb brilliert Mick Herron mit großartigen pointierten Dialogen. Jetzt gelten Londoner Regeln, die besagen: Im Ernstfall rettet jeder seine eigene Haut.

Ich weiß nicht, ob die Darstellung der Spionage-Arbeit, im Besonderen die des britischen Geheimdienstes, besonders realistisch dargestellt wurde, aber ich wäre auf jeden Fall bei einem weiteren Band der in England mehrfach ausgezeichneten Serie dabei.

 

Rezension und Foto von Andy Ruhr.

Slow Horses | Erschienen am 1. September 2018 bei Diogenes
ISBN 978-3-257-86-333-8
480 Seiten | 24.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Diese Rezension erscheint im Rahmen unseres .17specials Ein langes Wochenende mit… Spionageromanen.

Gerald Seymour | Vagabond

Gerald Seymour | Vagabond

„Ich kenne keinen Besseren als Vagabond. Er ist so erfolgreich, weil er durchs Feuer geht, um seine Zielperson zu kriegen. Der ruft nicht bei der Gesundheitsbehörde an, wenn’s mal brenzlig wird, oder beschwert sich wegen Überstunden. Dieser Mann wäre von den Toten auferstanden, um meiner Anweisung zu folgen. Hatte ich das Recht, ihn aus dem Ruhestand zu holen? Diese Bürde muss ich tragen.“ (Auszug Seite 449-450)

Nordirland, 2000er Jahre: Nach dem Friedensschluss ist verhältnismäßig Ruhe eingekehrt im zerrissenen Land. Die meisten der ehemaligen Kämpfer haben sich dem Prozess unterworfen. Doch es gibt sie noch, die Frustrierten, ewig Gestrigen. Doch sie sind weitgehend isoliert, haben nur noch wenig direkte Unterstützung und nur noch sehr begrenzte finanzielle Mittel. Mit frischen, modernen Waffen könnte man vielleicht wieder ins Spiel kommen. Und so bemüht sich eine IRA-Splittergruppe um Waffen von einem russischen Waffenhändler. Doch der Deal steht im Visier des Geheimdienstes, der Mittelsmann ist ein Informant. Die Aktion wird geleitet von Gaby Davies, doch ihr Vorgesetzter beim MI5, Matthew Broderick, hat besondere Anforderungen, so dass er einen zusätzlichen Agenten reaktiviert: Danny Curnow, ehemaliger Deckname: Vagabond.

Danny war jahrelang Agentenführer beim FRU, einer verdeckten Geheimdiensteinheit in Nordirland, die sich auf die Infiltration von republikanischen Terroristengruppen spezialisiert hatte. Vagabond war einer der erfolgreichsten Führungsoffiziere, sorgte für die Festnahme oder für den Tod von IRA-Kämpfern, aber war ebenso mitbeteiligt, wenn Informanten getötet wurden oder sogar Unbeteiligte geopfert wurden, um die Glaubwürdigkeit von wichtigen Spitzeln zu erhalten. Irgendwann wurde es Danny zu viel und er ist einfach gegangen, ohne offiziell zu kündigen. Er hat sich mit seinem engen Kollegen Dusty neu orientiert. Die beiden sind nach Nordfrankreich gezogen und haben sich dort als Touristenführer für die Schauplätze des Zweiten Weltkriegs etabliert. Dort wird Danny von Broderick aufgespürt und mit leichtem Zwang rekrutiert.

Schauplatz des Deals wird Tschechien sein. Dort, in einer Villa in Karlovy Vary, residiert Timofei Simonow, ehemaliger russischer Geheimdienstler, der sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Waffenhandel und anderen kriminellen Geschäften etablierte. Der Mittelsmann und Informant Ralph Exton ist ein alter Freund von Simonow, ein Lügner und Opportunist. Von Seiten der IRA ist ein alter Bekannter von Danny Curnow beteiligt, Malachy Riordan. Vagabond hatte vor Jahrzehnten dessen Vater liquidieren lassen. In Prag warten die meisten der Beteiligten auf den Abschluss des Deals, belauern sich und nähren ihre Zweifel, Ängste, Nervosität oder gar Vorfreunde.

Autor Gerald Seymour arbeitete lange Jahre als politischer Journalist. 1975 veröffentlichte er seinen ersten Politthriller „Harry’s Game“ („Das tödliche Patt“ in der deutschen Übersetzung). Seitdem brachte Seymour fast jährlich ein neues Buch heraus und etablierte sich insbesondere in seiner britischen Heimat in der ersten Riege der Politthrillerautoren. Mehrere seiner Romane wurden fürs britische Fernsehen verfilmt. In Deutschland wurde Seymours Thriller bis zum Ende der 1990er regelmäßig übersetzt. Danach tat sich allerdings fast zwanzig Jahre oder vierzehn Romane lang nichts, bevor Thomas Wörtche ihn in seiner Reihe bei Suhrkamp wieder hervorholte. Übersetzt wurde „Vagabond“ übrigens von den in der deutschen Krimiszene auch nicht ganz unbekannten Zoë Beck und Andrea O´Brien.

Danny Curnow hatte vor all den Jahren, als Hanna ihn vor die Wahl stellte, geschwiegen, weil er nichts anderes gewagt hatte. Er war vergiftet. Mit den Toten zu marschieren war die Schuld, die er zu begleichen hatte. (Seite 70)

Müsste ich Gerald Seymours Stil in Vagabond mit einem Wort beschreiben, würde ich vermutlich „präzise“ wählen. Oder „minutiös“. Seymour sammelt von Beginn an ein üppiges Personal an und wechselt auch sehr häufig die Perspektive. Dadurch wird es durchaus komplex, aber man hat trotzdem das Gefühl, dass der Autor alles im Griff hat. Das Buch ist durchaus ein Polit- oder Spionagethriller, es geht um die IRA und um einen Waffenhändler und um die schmutzige Arbeit der Geheimdienste. Aber keine Angst vor politischen Referaten, denn Seymour nähert sich der Thematik über seine Figuren. Diese werden intensiv beschrieben und aufs Engste durch diese Geschichte begleitet.

Fast alle haben eine Schuld auf sich geladen, sind Verräter, Opportunisten, Karrieristen, doch ihre Beschreibung bleibt nicht eindimensional. Sehr eindrucksvoll gelingt dem Autor auch die Skizzierung eines Nordirland, in dem die Grenzen zwischen Informanten, Verrätern, Terroristen und Friedensgewinnern sehr diffus sind und die Vergangenheit nicht so einfach unter den Teppich gekehrt werden kann. Denn dafür gab es zu viele Ungerechtigkeiten, zu viele Personen auf beiden Seiten wurden vereinnahmt, unter Druck gesetzt, gebrochen und dann wieder allein gelassen. Oder der Rache der Gegenseite überlassen.

Der Leser darf hier kein Actionfeuerwerk erwarten. Es gibt keinen wilden Ritt durch mehrere Länder mit großem Waffenarsenal. Stattdessen bietet Vagabond in bester Le-Carré’scher Tradition einen unverfälschten Blick in die deprimierende Arbeit der Geheimdienste, präzise Psychogramme der beteiligten Figuren und darüber hinaus einen manchmal etwas tempoarmen, aber dennoch spannenden Plot, bei dem der Leser irgendwann ahnt, dass hinter der ganzen Aktion noch mehr steckt, als es zunächst den Anschein hat. Und recht behält (eigentlich unnötig, dass der Klappentext dies auch andeutet).

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

Vagabond | Erschienen am 12. Dezember 2017 im Suhrkamp Verlag
ISBN 987-3-518-46742-8
498 Seiten | 14.95 Euro
Bibliografischer Angaben & Leseprobe

Diese Rezension erscheint im Rahmen des .17specials Ein langes Wochenende mit… Spionageromanen.