Monat: Mai 2018

Denise Mina | Blut Salz Wasser

Denise Mina | Blut Salz Wasser

„Wissen Sie, was ich an diesem Land so abstoßend finde?“, fragte Susan und ließ ihren Akzent in einen anderen übergehen. „Diese scheiß Scheinheiligkeit.“
Der Ladenbesitzer war überfordert. „Was? Heiligkeit?“
„Scheinheiligkeit. Selbstgerechtigkeit.“ Der Akzent klang jetzt sehr viel amerikanischer. […]
Der Ladenbesitzer war entschlossen, nicht zuzugeben, dass er im Unrecht war. Er zuckte die Achseln. „So sind Menschen eben, oder nicht?“
„Nein“, sagte die echte Susan. So ist es hier.“ (Auszug Seite 263)

Alles beginnt mit einem Mord. Einem brutalen Mord an einer Frau am Ufer des Loch Lomond. Der Mörder Iain Fraser übt diese Tat etwas widerwillig, aber letztlich effizient aus. Sein Boss Mark Barratt hat die Befehle gegeben und er führt sie aus, um eine Schuld zu tilgen, auch noch eine Schuld für jemand anderen. Der Leser begleitet anschließend Iain immer wieder durch diese Geschichte und ist überrascht, dass dieser Mann, dieser brutale Mörder, die traurigste Gestalt der ganzen Geschichte ist. Ein Mann mit verkorkster Vergangenheit, voller Schwermut und noch nicht mal sein Mord bringt letztlich etwas. Zwei Menschen sterben bei einem Brand und das stürzt ihn noch tiefer in den Abgrund.

Gleichzeitig hat DI Alex Morrow einen verdammt unangenehmen Fall auf dem Tisch. Eine großangelegte Polizeiaktion der Londoner Polizei und der Police Scotland. Roxanna Fuentecilla ist eine Geldwäscherin eines Drogenrings. Schon lange von der Polizei in London observiert, ist sie vor kurzem nach Glasgow gekommen und hat hier eine windige Versicherungsagentur übernommen. Die Observation geht weiter und die Polizeibehörden belauern sich: Wer am Ende das Drogengeld sicherstellt, darf davon den Löwenanteil dem eigenen Budget zuteilen. Das Problem nun ist jedoch: Fuentecilla ist verschwunden, hat die Verfolger abgehängt. Die letzte Handyortung der Vermissten führt Alex nach Helensburgh. In der Nähe wird schließlich die Leiche im Loch gefunden. Wie sich herausstellt, ist es nicht die Vermisste. Dennoch hatten beide Frauen miteinander zu tun, eine Verbindung zeichnet sich ab.

Die dritte Erzählperspektive nimmt Boyd Fraser ein. Er ist der Besitzer eines Cafés in Helensburgh, wo er auf Bio und nachhaltig macht und seine Speisen und Getränke zu gesalzenen Preisen an den Kunden bringt. Boyd ist ein Getriebener, unzufrieden und unglücklich, ohne recht zu wissen warum. Da kommt eines Tages eine Frau in sein Café. Susan Grierson, eine ehemalige Pfadfinderleiterin, die offenbar nach zwanzig Jahren nach Helensburgh zurückgekehrt ist. Irgendwie umgibt sie allerdings ein Geheimnis, dass jedoch weder Boyd noch Iain am Anfang bemerken und sich von ihr in die weiteren Ereignisse hereinziehen lassen.

Vor knapp einem Jahr habe ich Monika Geiers Alles so hell da vorn gelesen und war schwer begeistert. Nun habe ich mich während der Lektüre von Blut Salz Wasser wieder daran erinnert, da ich schon glaube, einige Gemeinsamkeiten entdeckt zu haben. Beide richten den Fokus auf die Mikroebene, auf das Lokale/Regionale – hier das kleine Örtchen Helensburgh – ohne aber dabei das große Ganze zu vernachlässigen. Hier spielen die ganzen Ereignisse vor dem bevorstehenden schottischen Unabhängigkeitsreferendum, was zusätzlichen Diskussionsstoff birgt. Trotzdem sind es vor allem die kleinen Szenen, die mich begeistert haben, weil sie realistisch und doch voller Finesse geschildert werden. So zum Beispiel die Befragung des versnobten Anwalts Delahunt in dessen Haus oder die Szene, in der sich Morrow und die örtliche Polizeichefin Simmons misstrauisch beäugen, nur um dann festzustellen, dass sie beide Reste von Erbrochenem auf ihrer Kleidung haben – Simmons von ihrer pflegebedürftigen Mutter, Morrow von ihren Zwillingen.

Blut Salz Wasser ist der fünfte Teil der Reihe um die Ermittlerin Alex Morrow. Trotz der spürbaren Vorgeschichte ist dieser Band aber problemlos auch ohne die Vorgänger zu lesen. Teil 3 ist übrigens noch unübersetzt und soll bald nachgeschoben werden. Übersetzerin von diesem Band ist übrigens Zoë Beck, auch keine Unbekannte in der deutschen (Krimi-)Literaturszene. Autorin Denise Mina hat nach dem Jurastudium angefangen, Kriminalromane zu schreiben. Gleich ihr Debüt Garnethill gewann sie 1998 den Dagger Award. Inzwischen wird ihr inoffiziell der Titel „Queen of Tartan Noir“ zugeschrieben. „Tartan Noir“ ist dabei die oftmals sehr gedehnte Klammer für die realistische und dunkle schottische Kriminalliteratur. In einem Interview bekannte Mina aber, das unscharfe Label inzwischen zu akzeptieren („Wir machen alle ganz unterschiedliche Bücher, es gibt kein Tartan Noir als Genre, aber die Bezeichnung hilft uns, bekannter zu werden“, Interview Culturmag 2010).

DI Alex Morrow ist übrigens eine sehr gelungene Protagonistin. Ihre private Seite wird in diesem Band nur ab und zu angeschnitten; sie ist Mutter von zwei kleinen Zwillingen. Doch familiär ist nicht alles im Lot. Immer wieder trübt sich ihr Gemüt, wenn ihre Gedanken um ihren kriminellen Stiefbruder Danny kreisen, der aktuell einsitzt. Beruflich ist sie eine gewissenhafte und durchsetzungsstarke Polizistin. Eine Frau aus der Arbeiterklasse, die es durch Fleiß und Beharrlichkeit zu etwas gebracht hat, die sich aber trotzdem keine Illusionen über ihren Platz macht. Doch am besten lasse ich sie selbst zu Wort kommen:

Sie sind nicht loyal, sagte Iain. Sie wissen nicht, zu wem sie gehören.
Da sah sie ihn direkt an, und sie lächelte, aber sie war wütend. Sie sagte: Nein, Mr. Fraser, ich weiß genau, zu wem ich gehöre. Und ich weiß, wer ich bin: Ich bin die Person, die die Wahrheit sagt, auch wenn sie mir nicht gefällt. Auch wenn sie mir wehtut. (Seite 336)

Der Plot von Blut Salz Wasser ist durchaus komplex, aber absolut virtuos erzählt. Der Roman lebt vor allem auch von den hervorragenden und authentischen Figuren, die ihr Innerstes offenbaren. Gleichzeitig haben wir hier einen definitiv verzwickten Kriminalfall, der am Ende zwar gelöst werden wird, aber einen bitteren Geschmack hinterlässt. Es war mein erstes Buch von Denise Mina und ich habe bislang vermutlich einiges verpasst. Glückwunsch an den Argument Verlag (der ohnehin nicht für Lückenbüßer bekannt ist), eine solche Autorin neu im Verlagsprogramm zu haben!

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

Blut Salz Wasser | Erschienen am 16. April 2018 im Argument Verlag
ISBN 978-3-86754-230-2
362 Seiten | 19.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Andys Rezension zu Denise Minas Roman Die tote Stunde sowie Interview von Zoë Beck mit Denise Mina (aus dem Jahr 2010) und Interview mit Denise Mina bei krimiscout.de

Tom Hillenbrand | Hologrammatica

Tom Hillenbrand | Hologrammatica

In alten Filmen haben Privatdetektive stets verschiedene Visitenkarten zur Hand, damit sie sich als Gott-weiß-wer ausgeben können. Ich hingegen habe an die fünfzig Holomasques gespeichert, die ich jederzeit überstülpen kann – Elektroinstallateur, Verkehrspolizist, Penner und so weiter. Sie sind natürlich gehackt, damit ich sie ohne Brassard tragen kann, auch wenn das ein bisschen illegal ist. (Auszug Seite 65)

Der moderne Privatdetektiv

Im Jahr 2088 arbeitet der Londoner Galahad Singh als eine Art Privatdetektiv. Er hat sich als Quästor darauf spezialisiert, verschwundene Menschen zu finden, was im ausgehendem 21. Jahrhundert gar kein leichtes Unterfangen ist. Durch den Klimawandel sind große Teile der Erde abgesoffen und es hat eine weltweite Völkerwanderung bevorzugt Richtung Sibirien gegeben. Wer von der durch eine Seuche stark dezimierten Erdbevölkerung, die mitunter horrenden Temperaturen von 40° Celsius in der Nacht nicht aushält und über genügend Geld verfügt, kann die Erde verlassen und sein Glück im All suchen. Durch neue Technologien ist es mittlerweile sehr einfach, eine neue Identität anzunehmen. Zum einen kann man sein Aussehen durch Holofilter verändern.

Alles nur Fassade

Hologramme sind zum Alltag geworden. Ein holographisches Netz ermöglicht es, visuelle Filter über die graue, schmutzige Realität zu legen. Alles was nicht den optischen Ansprüchen genügt, wird holographiert. Eine Brille benutzt man nur noch, um die Realität ohne Holofilter zu erkennen. Doch es gibt noch eine andere Möglichkeit. Durch die Technologie des Mind Uploading gelingt es, seine eigene Identität in fremde Körper zu laden. Hierbei wird ein winziger Quantencomputer ins Hirn implantiert, der es ermöglicht, in einen Wunschkörper zu wechseln. Wenn auch nur für kurze Zeit, dann droht der Braincrash, wenn das Cogit nicht wieder in den Stammkörper zurück transferiert wird.

Im vorliegendem Fall soll Singh die Computerexpertin Juliette Perotte aufspüren, die höchstwahrscheinlich gekidnappt wurde. Die hochintelligente Tochter reicher Eltern arbeitete an einer Verschlüsselungstechnik für digitale Gehirne, die sogenannten Cogits. Singh findet in Paris, dem Wohnort der 37-jährigen heraus, dass Perotte mit einem geheimen Projekt beschäftigt war, bei dem sie nach einer Möglichkeit forschte, den Braincrash zu verhindern. Offenbar hatte sie sich in einem riskantem Spiel einer Gruppe von „Deathern“ angeschlossen. Das sind Adrenalinjunkies, die ihre eigene Identität in fremde Gefäße laden und diese Körper dann auf unterschiedlichste Arten umbringen, um den Moment des Todes immer wieder in anderen Varianten zu erleben. Auf der atemlosen Suche nach den Hintergründen und nicht zuletzt als er von Leuten mit riesigen schwarzen Schwertern angegriffen wird, begibt sich der Privatermittler Singh in Gefahr. Er scheint es mit einem übermächtigen Gegner zu tun zu haben, möglicherweise sogar mit einer Künstlichen Intelligenz.

In einem anderen fast surrealen Handlungsstrang findet sich eine Frau auf einer einsamen Insel wieder.
Viel mehr möchte ich über den vielschichtigen, vor phantastischen Ideen sprühenden Plot gar nicht verraten.

Prota

Tom Hillenbrand hat eine immens spannende Mischung aus klassischer Detektivgeschichte und Science-Fiction geschaffen. Dazu gehört auch sein cleverer Protagonist und Ich-Erzähler Galahad Singh, ein relativ bodenständiger Detektiv mit indischen Wurzeln, dessen Lieblingsgetränk der Old Fashioned ist und der in seiner Freizeit am liebsten Saxofon mit einem holographischen John Coltrane als Musiklehrer spielt. Uploads sind ihm suspekt, statt eines digitalen Hirns benutzt er lieber seine grauen Zellen. Der sympathische Singh hat eine schwierige Beziehung zu seinem Vater. Grund dafür ist sicherlich das Verschwinden seines Bruders Percy vor etlichen Jahren, als beide noch Kinder waren. Kein Wunder, dass es ihn komplett aus der Bahn wirft, als er Hinweise erhält, dass Percy noch am Leben ist. Auch in brenzligen Situationen verliert der smarte Singh seinen sarkastischen Humor und seine Selbstironie nicht. Großartig auch die Selbstgespräche mit dem „Komitee der Selbste“, wenn er sich nicht zwischen unterschiedlichen Perspektiven entscheiden kann.

Die Welt im Jahre 2088

Wie schon in seinem mit mehreren Preisen ausgezeichneten Krimi Drohnenland hat der Autor eine rasante Zukunftsvision erschaffen, die mich begeistert und die ich verschlungen habe. Indem er den jetzigen Stand der technischen Entwicklungen konsequent und sehr kreativ weiterentwickelt, kann man sich diese nahe Zukunft tatsächlich problemlos so vorstellen. Tom Hillenbrand hat mit großem Einfallsreichtum und überbordender Phantasie ein absolut glaubwürdiges Setting erschaffen, dem man anmerkt, wie sehr ihm die geschaffene Welt am Herzen liegt. Die komplexe Story erfordert volle Aufmerksamkeit. Wobei ich das Glossar am Ende des Buches, in dem einige technologischen Begriffe erläutert werden, gar nicht benutzt habe, da sich alles aus dem Kontext ergibt.

Die Story wird flüssig und rasant mit vielen überraschenden Wendungen erzählt und scheut sich auch nicht vor filmreifen Action-Szenen. Sehr gut gefallen hat mir auch der immer wieder aufblitzende trockene Humor.

Das mit den Milchtüten ist ein etwas makabrer Scherz, den heutzutage keiner mehr versteht. Vor über hundert Jahren war es üblich, die Gesichter von vermissten Kindern auf Getränkekartons zu drucken. Warum man das tat, erschließt sich mir nicht. Die Polizei war offenbar der Meinung, es würde zu sachdienlichen Hinweisen führen, wenn sich schlaftrunkende Menschen morgens beim Müsliessen von einem verschwundenen Kind anstarren lassen. Klingt bekloppt, aber so war’s. Deshalb nennen wir unsere Vermissten ebenfalls Milchtüten. (Seite 16)

Hologrammatica war für mich viel mehr als eine klassische Kriminalgeschichte, eingebettet in einem abgefahrenen Science-Fiction-Thriller, sondern eine Gesellschaftskritik mit philosophischen Einschüben und sogar ein Beitrag zur Gender-Thematik. Der homosexuelle Galahad lernt während seiner Ermittlungen Francesco kennen und verliebt sich, wobei nicht klar ist, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, da dieser in einem Gefäß steckt. Das dessen tatsächliche Identität ein Geheimnis bleibt, führt zumindest bei Galahad anfänglich zu Irritationen, spielt aber im Endeffekt keine große Rolle. Es geht auch um die ganz großen Themen, wie den uralten Wunschtraum der Menschen nach Unsterblichkeit.

Nach Drohnenland waren meine Erwartungen an Hologrammatica sehr hoch und sie wurden noch komplett übertroffen!

Rezension & Foto Andy Ruhr.

Hologrammatica | Erschienen am 15. Februar 2018 bei Kiepenheuer & Witsch
ISBN 978-3-462-05149-0
560 Seiten | 12.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Gunnars Rezension zu Drohnenland von Tom Hillenbrand.

Mikaela Bley | Böse Schwestern Bd. 2

Mikaela Bley | Böse Schwestern Bd. 2

„Der Tod, der Tod, der Tod. Einer der vielen Therapeuten hat mir den Tipp gegeben, bestimmte Worte laut auszusprechen, wenn die Erinnerungen zu heftig werden. (…)“
(…) „Sie versuchen, eine Panikattacke zu stoppen. Funktioniert es?“
„Manchmal. Ich habe mal gelesen, dass Astrid Lindgren alle Telefongespräche mit ihrer Schwester so begonnen hat. Auf diese Weise hatten sie alle dunklen Themen im Handumdrehen abgehakt, brauchten sich keine Gedanken mehr darüber zu machen und konnten sich den hellen Dingen zuwenden.“ (Auszug Seite 178)

Nach dem letzten großen Fall über den Ellen Tamm, Journalistin bei TV4 in Stockholm, berichtet hat, fällt sie in ein tiefes Loch. Um da rauszukommen, zieht sie wieder zu ihrer Mutter und besucht einen Psychiater. Doch dann wird in dem beschaulichen Ort eine Leiche gefunden, die scheinbar niemand kennt. Ellen fühlt sich sofort von dem Fall angezogen und möchte darüber berichten, weil sie ahnt, dass mehr dahinter steckt.

Ellen Tamm ist 35 Jahre alt und hat im Alter von acht Jahren ihre Zwillingsschwester verloren. Dieses Ereignis konnte sie noch immer nicht überwinden und gerade der letzte Fall (Glücksmädchen), bei dem es ebenfalls um ein verschwundenes Mädchen ging, hat alle Erinnerungen wieder aufgerissen. Ellen hat außerdem starke Gefühle für ihren Chef Jimmy. Er ist verheiratet, kann sich aber trotzdem nicht von Ellen distanzieren und so kommt es zu einer ständigen On-Off-Affäre.

Überraschungen

Böse Schwestern von Mikaela Bley ist sehr flüssig zu lesen und überrascht in vielerlei Hinsicht. Dass in idyllischen Dörfern nicht immer alles so beschaulich ist, wie es aussieht, ist nichts Neues. Aber Ellen deckt nicht nur ihre eigene Vergangenheit auf, sondern auch ein Familienkonstrukt, das ich mir so gar nicht vorstellen kann. Trotzdem, oder gerade deshalb, war es sehr interessant und bisher auch das erste Buch, das ich zu diesem Thema gelesen habe.

Gegenwart und Vergangenheit

Die Kapitel sind in Tage und Uhrzeiten untergliedert und werden abwechseln von Ellen und zwei weiteren Frauen erzählt. Ansonsten geht es je zur Hälfte um den Fall, zu dem Ellen recherchiert und ihrer Vergangenheit. Ab und zu passen auch Jimmy und Ellens schreckliche Mutter in die Geschichte. Mir war Ellens Trauma ihrer Kindheit etwas zu viel, muss ich sagen. Auch der Titel des Buches zielt mehr auf die getrennten Zwillinge ab, als auf die Tote, um die es für mich hauptsächlich geht. Das finde ich etwas schade.

Ellen, die Journalistin

Ellen macht meiner Meinung nach einen tollen Job. Sie fragt nach, immer wieder, wenn sie etwas erfahren will und gibt nicht so schnell auf. Ihre Hartnäckigkeit hat sich dabei oft bewährt, aber natürlich geht auch nichts über gute Quellen, die auch schon mal etwas kosten können. In der Redaktion ist Ellen nicht unbedingt die Beliebteste und nicht vom Typ „beste Freundin“. Ellen nervt es eher, wenn sie Small-Talk halten muss. Mir ist sie mit ihrer straighten Art sympathisch.

Noch mehr Überraschungen

Im Laufe der Geschichte macht man sich als Leser ja so seine Gedanken, wer denn der Täter gewesen sein könnte. Das Ruder wird zum Ende aber nochmal komplett herumgerissen, damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet. Und dann bleibt das Buch auch noch mit seinem Ende in Bezug auf Ellen sehr offen. Das lässt in mir die Hoffnung keimen, dass es bald ein drittes Buch über Ellen Tamm gibt.

Fazit: Spannende Geschichte mit etwas viel Vergangenheit!

Mikaela Bley wurde 1979 geboren und lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern in Stockholm. Um ihren ersten Krimi zu schreiben, kündigte sie ihren Job beim schwedischen Fernsehsender SV4.

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Böse Schwestern | Erschienen am 9. Februar 2018 bei Ullstein
ISBN 978-3-548-28861-1
397 Seiten |
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Weiterlesen: Andreas Rezensionen zum 1. Band der Ellen-Tamm-Reihe von  Mikaela Bley Glücksmädchen.

16. Mai 2018

Thomas Rydahl | Der Einsiedler

Thomas Rydahl | Der Einsiedler

„Die Ermittlungen laufen noch?“
Bernal wirft ihm einen Blick zu.“Weil die Presse begonnen hat zu schreiben. Sie haben herausgefunden, dass in dem Karton ein toter Junge lag. Mehr wissen sie nicht. Und die Verantwortlichen wollen keinen neuen Fall Madeleine. Mehr sagen sie nicht. Negativwerbung in diesen Zeiten – wo der Tourismus doch eh schon verteufelt schlecht läuft! Ich sollte Sie eigentlich gar nicht einweihen, aber wir verfolgen eine lokale Spur.“ (Auszug Seite 72)

Hinweis: Es wird ausnahmsweise gespoilert!

Der tote Junge am Strand

In der ersten Regennacht des Jahres fällt an einem Strand auf Fuerteventura ein Auto auf, das wie von den Klippen gestürzt dort steht, was natürlich Rätsel aufgibt. In dem Auto findet sich ein Karton mit einem toten Kleinkind. Erhard Jorgensen ist neben vielen anderen Inselbewohnern mit dem befreundeten Pärchen Raúl und Beatriz an diesem Abend am Strand, um das spektakuläre Gewitter zu beobachten.

Die Polizeit findet etwas später unter anderem einen Zettel, einen Abriss einer vermutlich dänischen Tageszeitung, in selbigem Karton, weshalb man auf den bekanntesten Dänen der Insel zukommt, um Weiteres zu erfahren. Doch schon bald wird Jorgensen klar, dass der Fall des toten Jungen, der ihm keine Ruhe mehr lässt, unter den Teppich gekehrt werden soll, was er als inakzeptabel empfindet und woraufhin er sich selbst auf Spurensuche begibt. Er erfährt, dass die Polizei die Mutter des toten Jungen ausfindig gemacht haben will und diese bereits in Untersuchungshaft festgehalten wurde. Erhard Jorgensen kommt das seltsam vor, insbesondere, da ihm die junge Frau als Prostituierte namens Alina bekannt ist. Er fragt sich, ob das wirklich so plausibel ist, wie ihm der zuständige Ermittler Bernal weismachen möchte.

Der amputierte Finger

Kurz zuvor kam Jorgensen an einer Unfallstelle vorbei. Bill Haji, von dem er nicht sehr viel hält, ist mit seiner Protzkarre verunglückt, liegt aus dem Wagen geschleudert tot auf der Straße.

Achtung! Hier macht sich das erste Mal das Fehlen von Empathie für den Leser bemerkbar. Hinzu kommt aber auch eine Art abartige Skurrilität:

Nah des Körpers des Toten sieht er einen abgetrennten Finger. Diesen nimmt er an sich, aber nicht wie gedacht, wegen des goldenen Rings, sondern einzig des Finger wegens. Jorgensen hatte schon vor vielen Jahren selbst einen kleinen Finger verloren. Dieser Verlust hinterließ bei ihm ein Gefühl der Unvollständigkeit, weshalb er den Fund des Fingers als einen Glücksfall betrachtet. Zuerst hält er sich den amputierten Finger lediglich an, aber schon bald klebt er ihn mit Klebeband fest und fährt so auch Taxi. Als sich der Finger naturgemäß zu verändern beginnt, trägt er ihn in einem Plastikbeutel in seiner Hosentasche bei sich, manchmal versteckt er ihn in seinem Bücherregal. Wahrscheinlich würde man diese – sagen wir mal – Eigenart bald darauf vergessen, wäre dies nicht ein immer wieder im Vordergrund stehendes Thema.

Die Nutte als Geisel

Jorgensen macht sich auf die Suche nach der angeblichen Mutter und findet sie mühelos an einem einschlägig bekannten Ort. Sturzbetrunken ist ihr nicht bewusst, was Jorgensen von ihr möchte, nämlich ehrliche Antworten auf die Fragen, die die Polizei nicht zu stellen scheint, um die bevorstehende Reisesaison nicht zu gefährden. In ihrem Zustand verrät sie ihm, dass ihr 5.000.- Euro für das falsche Geständnis zugesagt wurden. Und zwar nicht seitens der Behörden, sondern von einem unbekannten Unternehmer.

Auffällig gut gekleidet und sich eine Auszeit nehmend, findet er Alina kurze Zeit darauf erneut und entführt sie in seine abgelegene Hütte, wo er sie zuerst in einen angrenzenden Generatorschuppen einsperrt, da sie gar nicht einsehen möchte, was sie mit ihrer Bestechlichkeit anrichtet. Als sie den Generator manipuliert, wird ihr Lager ins Haus verlegt. Angekettet hat sie jedoch die Möglichkeit sich in einem Radius Matratze, Toilette, Lebensmittelschrank selbstständig zu bewegen.

Die Ungereimtheiten steigern sich ins Absurde

Soviel zur Rahmenhandlung. Wir wissen nun, dass der sogenannte Erimitando selbst nicht vor Verbrechen zurückschreckt, selbstverständlich im Sinn der guten Sache, wie er sich selbst sagt. Gleichzeitig mehren sich jedoch im Debütroman des dänischen Philosophen, Psychologen und Vermittler für Storytelling (als Strategie in der Kommunikationsbranche) Thomas Rydahl die Ereignisse, die nicht nachvollziehbar sind. Ein weiteres Beispiel:

Jorgensen lässt seine Geisel in seiner Hütte zurück, während er zu seinem Freund Raúl fährt, wo er gemeinsam mit ihm und dessen Frau Beatriz auf der Dachterrasse so viele Drinks hat, dass er vergisst, dass er zuhause eine Geisel hat und einschläft. Am nächsten Morgen findet er Beatriz im Arbeitszimmer des Paares blutüberströmt auf, Raúl ist verschwunden. An dieser Stelle des Romans benutzt der Autor ein Mittel, welches mir eher fremd ist, nämlich hört Erhard Jorgensen plötzlich Stimmen, um genau zu sein die Stimme der halbtoten komatösen Beatriz, welche ihm Handlungsanweisungen gibt, die er natürlich penibel befolgt.

Im weiteren zeitlichen Ablauf kehrt er zu seiner Hütte zurück, wo er feststellt, dass Alina sich nicht mehr im Haus aufhält. Als er der Kette folgt, sieht er, dass sich die Frau über das Dach zur anderen Hausseite vorgearbeitet hat, wo sie in den Tot gestürzt ist; ihr Gesicht ist aufgrund der Kollision mit der Gebäudemauer vollkommen entstellt. Klar, das kann so passieren. Aber wir erleben nun erneut einen sehr gleichgültigen, empathielosen und berechnenden Erhard Jorgensen, der sich keinen Deut um den Tod der Frau schert.

Wie passt das zu dem Taximann, der so unbedingt den Tod des kleinen Jungen aufklären wollte, was übrigens inzwischen auch erstmal keine weitere Erwähnung mehr findet?

Beatriz gibt ihm durch die telepathisch (?) übermittelten Worte VERSTECK MICH ein, dass er auf keinen Fall einen Arzt oder die Polizei rufen soll, dass er verhindern muss, dass man sie findet. Nun, Jorgensen hat nun einerseits die tote Alina, die ein bis zur Unkenntlichkeit entstelltes Gesicht hat und andererseits Beatriz, die er verstecken muss. Es kommt, was kommen muss: Jorgensen holt die tote Alina ins Haus von Raúl und Beatriz und drappiert sie auf der Dachterrasse. Beatriz nimmt er nach einer ersten Inaugenscheinnahme eines ihm bekannten Arztes mit in seine Hütte, wo er durch erpresserische Methoden den Arzt zur Versorgung der schwer verletzten Frau verpflichtet. Dieser vermutet eine Gehirnschwellung, aber da Beatriz bereits durch einen vorherigen operativen Eingriff Löcher in der Schädelplatte hat, ist sie trotz vermuteter Hirnschwellung noch lebensfähig. Ah ja!

Abgebrochen!

Es gab noch einige Beispiele mehr, welche mich erstaunt haben, denn immerhin wird dieser Charakter von einem beschrieben, der studierter Philosoph und Psychologe ist! Erhard Jorgensen ist ganz klar der Protagonist der Handlung, doch die Fetzen, die man von ihm erfährt, ergeben kein stimmiges Ganzes und er bleibt nicht greifbar. Eher im Gegenteil hatte ich fast das Gefühl, dass der Autor selbst nicht so genau weiß, wie er, der Protagonist, nun sein soll. Dazu muss ich aber klar sagen: Bei Seite 210 habe ich das Buch abgebrochen, weil ich den Schwachsinn im Sinne von schwach einfach nicht mehr lesen wollte. Basta!

 

Der Einsiedler | Erschienen am 12. März 2018 bei Heyne Encore
ISBN 978-3-453-27083-1
608 Seiten | 23.- Euro
Bibliografische Angaben & Leseprobe

Der junge Inspektor Morse | Staffel 3 ►

Der junge Inspektor Morse | Staffel 3 ►

Die Anklage gegen Morse, er habe den Polizeipräsidenten Standish ermordet, wurde fallengelassen. Endeavour ist nun wieder auf freiem Fuß – allerdings ist er vom Dienst suspendiert. DI Fred Thursday leidet noch immer unter den Folgen seiner Schussverletzung. Eine schwarze Stunde für die Polizei Oxfords. Doch die kriminellen Machenschaften lassen nicht lange auf sich warten: Kaltblütige Mörder, erbarmungslose Erpresser bis hin zu Gangsterbossen sorgen für Angst und Schrecken in der Stadt. Sind die beiden Detectives bereit, sich nach den schweren Rückschlägen erneut den Herausforderungen zu stellen und der Unterwelt Oxfords ein für alle Mal das Handwerk zu legen? (Serieninfo)

Rückschau auf Staffel 2

Während des letzten Falls in Folge 8 Staffel 2 wurden DI Fred Thursday und sein Untergebener Sergeantanwärter Morse in eine hinterhältige Falle gelockt, zumal von der County Police, welche zum Selbstzweck die Detectives der Mordkommission instruiert hatten, so dass von dieser Seite keine Unterstützung erfolgt. War es bisher schon ein schwieriges Verhältnis zwischen Morse und seinen Sergeanten-Kollegen, so wird es nun heikel. Bei dem Versuch die beiden Ermittler aus dem Weg zu räumen, geraten diese in die direkte Schusslinie.

Wir sehen, wie Fred Thursday schwer verletzt zu Boden geht und Morse ebenfalls durch einen Schuss verletzt wird. Es geht glimpflich aus, doch es war knapp. Gleichzeitig stellt Fred Thursday für sich selbst die Frage, ob er den Dienst quittieren soll, in den Raum. Morse ist klar, dass er ohne Thursday keine Chance in dieser Mordkommission hat, weshalb er in Erwägung zieht, der Polizeit ganz und gar den Rücken zu kehren. Das ist der Cliffhanger am Ende der ersten Staffel.

Morse ist suspendiert

Zu Beginn der nun dritten Staffel sehen wir Morse ganz privat, jedoch nicht in seiner uns bekannten Wohnung, sondern in einer Hütte im Wald, denn er ist nach den Vorfällen noch suspendiert und hat sich zurückgezogen. Beim Besuch eines Freundes, der ihn überredet, ihn zu seinem Haus und anderen Bekannten zu begleiten, kommen beide an einem Tatort im Wald vorbei, der bereits von der Spurensicherung untersucht wird. Man sieht die Zerrissenheit Morses und es sieht fast so aus, als ob er kurzerhand hinübergeht, um zu fragen, was passiert sei. Doch das erfährt er ohnehin frühzeitig, denn die Ermittlungen führen die Detectives auch in das Haus des Freundes, welcher ein ausschweifendes Leben führt und in dessen Kreis Morse so gar nicht passen mag.

Neustart für Morse und Thursday

Kurz und gut: Die Suspendierung wird aufgehoben und er sowie auch Thursday sind in Staffel 3 wieder in Oxford im Einsatz. Allerdings ergibt sich im Verlauf des zweiten Falls eine andere überraschende Neuerung in der Teambesetzung, denn Morses vermeintlicher Gegenspieler scheidet aus dem Dienst aus, da er heiratet und in dem Rinderzuchtbetrieb seines zukünftigen Schwiegervaters arbeiten wird. Etwas seltsam mutet Morses Wehmut an, denn ist er zwar ein guter Charakter, aber bisher hatte ich nie den Eindruck, dass ihm etwas an seinem Kollegen liegt, der keine Gelegenheit ausließ, um ihm Steine in den Weg zu legen und ihn zu verhöhnen.

Die Krankenschwester

Überraschend: Im zweiten Fall trifft Morse auf eine Krankenschwester. Diese war in Staffel 2 seine Freundin. Nunmehr begegnen sie sich, als ob sie Fremde sind. Entweder habe ich etwas Entscheidendes versäumt, oder ich irre mich bezüglich der Krankenschwester. Hinweise dazu gerne in die Kommentare!

Museales Ambiente und zu frische Requisiten

Für die Rezension standen mir die ersten beiden Folgen der dritten Staffel zur Verfügung. Die beiden Fälle konnten mich überzeugen, aber leider wie zuvor schon die Ausstattung der Serie leider nicht, denn man findet wiederum ein museales Ambiente, wobei die Garderobe mich manchmal nicht in die Zeit versetzen konnte und die Requisiten immer zu frisch aussehen. Dabei spielt natürlich auch der Film und das Licht eine Rolle, denn der digitale Dreh der 60er ist im Kontrast zu frappierend, als dass die Serie mich insgesamt zu einhundert Prozent überzeugen kann.

 

Der junge Inspektor Morse – Staffel 3
Veröffentlicht am 23. März 2018 bei Edel Germany
2 DVDs | 22,99 Euro
Laufzeit: 360 Minuten
Produktionsjahr: 2014
FKS 12
Trailer zur 3. Staffel

Weiterlesen: Rezension zu Der junge Inspector Morse Staffel 1 und Staffel 2.

12. Mai 2018