Monat: März 2018

Joakim Zander | Der Freund Bd. 3

Joakim Zander | Der Freund Bd. 3

Jacob erträgt die Aufnahme nur wenige Sekunden lang, sie ist zu unverblümt. Zu drastisch und widerwärtig. Seine Finger zittern, als er den Deckel des Laptops zuschlägt, um nicht mehr davon sehen zu müssen. Er vergräbt sein Gesicht in den Händen. „Was haben Sie getan?“, fragt er schluchzend. „Und warum?“ (Auszug Seite 120)

Ein Student aus Uppsala lalalalalalala

Jacob Seger ist ein ehrgeiziger, schwedischer Student. Als angehender Diplomat macht er ein Praktikumsjahr in der schwedischen Botschaft in Beirut. Es gibt aber nicht so viel zu tun und er ist sich oft selbst überlassen. Auf der Dachparty einer Nachbarin lernt er Yassim kennen und verliebt sich sofort in den arabischen Kriegsfotografen. Es beginnt eine leidenschaftliche Beziehung. Yassim gibt sich geheimnisvoll und ist oft wochenlang unterwegs und lässt nichts von sich hören. Eine Agentin des schwedischen Geheimdienstes nimmt Kontakt zu Jacob auf und behauptet, Yassim wäre ein Terrorist, sogar ein Drahtzieher, der Anschläge in Europa vorbereitet. Die mysteriöse Myriam Awad hatte Jacob eine Falle gestellt und mit diesem Druckmittel in der Hand will sie ihn zwingen seinen Freund auszuspionieren. Jacob ist hin- und hergerissen und weiß nicht, was er glauben soll. Als er einen Kurierdienst für Yassim erledigen soll, indem er einen USB-Stick außer Landes nach Europa schmuggelt, fällt ihm in seiner Not nur die schwedische Anwältin für Menschenrechte Gabriella Seichelmann ein, die er im Fernsehen gesehen hat und bittet sie um Hilfe.

Währenddessen wird die ehemalige EU-Referentin Klara Walldéen Zeugin, wie ihre Freundin Gabriella verhaftet wird. Im Rahmen eines Anti-Terror-Einsatzes wird sie direkt vor ihrer Kanzlei in Stockholm festgenommen. Die schockierte Klara will der Freundin helfen und sich anstelle von Gabi mit einem geheimen Informanten in Brüssel treffen, aber bevor sie begreift, um was es geht, gerät sie in Gefahr und zwischen die Fronten der Geheimdienste.

Beirut, die Stadt der Gegensätze

Der dritte Band von Joakim Zander verbindet wieder Ereignisse aus dem aktuellen Zeitgeschehen, wie die Terroranschläge im Jahr 2015 in Paris mit einer spannenden, fiktionalen Geschichte. Abwechselnd wird in beiden Erzählsträngen in kurzem Kapiteln und hohem Tempo erzählt. Wenn im letzten Drittel die beiden Handlungsstränge miteinander verknüpft werden und Jacob und Klara in Brüssel aufeinander treffen, wird die Geschichte deutlich rasanter mit jeder Menge Action in Form von Schießereien und Verfolgungsjagden.

Im ersten Drittel des Politthrillers beschäftigt sich der Autor sehr detailliert und empathisch mit Jacob und seinen Erlebnissen. Seine Gefühle, Gedanken und Wünsche nehmen einen großen Raum ein und sein Zwiespalt wird glaubhaft dargestellt. Dieser Handlungsstrang beinhaltet nicht sehr viel Thrill, trotzdem war er für mich sehr interessant und fesselnd. Der Leser erlebt durch Jacobs Augen den schillernden Schauplatz Beirut, dessen faszinierende Atmosphäre der Autor gekonnt einfängt. Es gelingt ihm, ein Bild dieses zerrissenen Landes der totalen Gegensätze wiederzugeben. Wir begleiten Jacob durch die flirrende Beiruter Nachtwelt und erleben mit ihm die Unruhen der unterschiedlichen Religionsgruppen und der syrischen Flüchtlinge. Demonstrationen und Protestaktionen sind an der Tagesordnung. Auch die gesellschaftliche Stellung der Homosexuellen in dem arabischen Land wir thematisiert.

Yassim meint den eingezäunten Beach Club auf der anderen Seite der Corniche, der zur Universität gehört, ein Aushängeschild der Privilegierten. Nichts bringt Beiruts doppeltes Gesicht besser auf den Punkt als die Einschusslöcher in den Umkleidekabinen der exklusiven, überteuerten Strandclubs. Hedonismus und Gewalt in einem ewigen Tanz entlang des privatisierten Küstenstreifens. (Seite 175)

Die Charaktere

Der strebsame Jacob kommt aus einfachen Verhältnissen, die er hinter sich lassen möchte. Er hat dafür sogar seinen Namen geändert. Sein Ziel, im diplomatischen Dienst Karriere zu machen, hat er fest vor Augen. Es enttäuscht ihn, dass man in der Botschaft keine wichtigen Aufgaben für ihn hat. Als er dann Yassim kennenlernt, kreisen seine Gedanken nur noch um seinen Freund und wann sie sich wiedersehen und seine Zeit ist geprägt von Aufregung. Der brisante Auftrag, den er Yassim zuliebe erledigen will, überfordert den naiven Studenten jedoch.

Yassim bleibt bis zum Schluss eine undurchschaubare Figur und das erhöht die Spannung natürlich noch.

Klara ist aufgrund der Ereignisse aus den letzten beiden Bänden und nach dem Tod ihres geliebten Großvaters angeschlagen. Als es darauf ankommt, findet sie aber zu alter Stärke zurück. Der Handlungsstrang um Klara ist nicht ganz so dynamisch, auch wenn der Autor hier versucht, die Verhaftung von Gabi durch ein Spezialeinsatzkommando besonders spektakulär zu gestalten.

Fazit

Beim dritten Band der Klara-Walldéen-Reihe Der Freund handelt es sich um eine abgeschlossene Geschichte, die man problemlos lesen kann ohne Kenntnis der zwei Vorgängerbände Der Schwimmer und Der Bruder. Zander bleibt sich in der Thematik treu und es geht um den Nahen Osten und um seine Lieblingsthemen Terrorismus und Spionage. Diesmal sind es nur zwei leicht zeitversetzte Erzählperspektiven. Das hat der Spannung gut getan, denn der dritte Band ist nicht so komplex und verlangt daher nicht ganz so viel Konzentration, glänzt aber mit vielen unerwarteten Wendungen. Der Autor kann seine Erfahrungen in der internationalen Diplomatie mit einbringen und spiegelt die Wirklichkeit glaubwürdig wider. Besonders geglückt empfinde ich wieder seine intensiven Beschreibungen der jeweiligen Schauplätze.

 

Rezension und Foto von Andy Ruhr.

Der Freund | Erschienen am 1. September 2017 im Rowohlt Verlag
ISBN 978-3-499-27363-6
464 Seiten | 14.99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

30. März 2018

Weiterlesen: Andys Rezensionen zu Joakim Zanders Romanen Der Schwimmer und Der Bruder | weitergehende Verlagsinfo

Diese Rezension erscheint im Rahmen des Mini-Spezials Ein langes Wochenende mit … Schwedenkrimis.

Maj Sjöwall & Per Wahlöö | Der Mann, der sich in Luft auflöste

Maj Sjöwall & Per Wahlöö | Der Mann, der sich in Luft auflöste

Im selben Moment registrierte Martin Beck etwas. Keinen Schatten und auch kein Geräusch, nur eine kleine Veränderung in der Luft schräg hinter ihm. So unmerklich, dass nur die Stille der Nacht sie wahrnehmbar machte.
Er wusste, dass er nicht mehr allein auf der Mauer war. Das Auto sollte nur seine Aufmerksamkeit ablenken, während unten auf dem Kai jemand lautlos heranschlich und sich hinter ihm auf die Mauer schwang.
Und im selben Moment begriff er auch, glasklar und deutlich, dass dies keine Beschattung, kein Spiel, sondern Ernst war. Mehr als das. Es war der Tod. Dieses Mal war er hinter ihm her, und zwar nicht zufällig, sondern kalt, berechnend und vorsätzlich. (Auszug Seite 126)

Sommer in Stockholm: Kommissar Martin Beck sortiert die letzten Akten und verabschiedet sich in den Familienurlaub auf einer Schäreninsel. Doch schon nach einem Tag wird er für eine Spezialaufgabe ins Büro zurückbeordert. Der schwedische Reporter Alf Matsson ist von einer Recherchereise nach Ungarn spurlos verschwunden. Seine Zeitung droht sein Verschwinden auszuschlachten, die schwedische Regierung befürchtet diplomatische Verwicklungen. Daher reist Beck in inoffizieller Mission nach Budapest, um dort zu ermitteln.
Beck checkt im selben Hotel wie der Verschwundene ein und begibt sich auf Spurensuche. Alf Matsson hat allerdings sein ganzes Gepäck inklusive seines Passes im Hotel gelassen. Die erste Nacht hat er in einer anderen Unterkunft verbracht. Außerdem schien er Kontakt zu einer ehemaligen ungarischen Leistungsschwimmerin gehabt zu haben. Aber all dies bringt Beck nicht wirklich weiter, zudem erhält er mit Major Szluka einen ungebetenen Aufpasser. Doch die Ermittlungen haben jemanden aufgeschreckt, in einer einsamen Nacht am Donauufer spitzen sich die Ereignisse zu.

Der Schwedenkrimi oder heutzutage etwas regionaler gefasst Skandivian Noir oder Nordic Noir ist in der Kriminalliteratur ein eigenes international erfolgreiches Genre geworden, obwohl sich dort ziemlich unterschiedliche Autorenstile tummeln. Den Reiz dieses Genres macht vor allem sicherlich die Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Leser an die gesellschaftlichen Umstände der skandivischen Musterländer und den düsteren Abgründen der Romane aus. Mehr oder weniger als Paten des Genres gelten Maj Sjöwall und Per Wahlöö mit ihrer zehnbändigen Romanreihe Roman über ein Verbrechen. Beide arbeiteten als Journalisten, heirateten 1962 und bildeten bis zum Tode Wahlöös 1975 ein kongeniales Autorenduo. 1971 erhielt der vierte Roman Endstation für neun den Edgar Award und markierte damit endgültig den internationalen Durchbruch.

Wahlöö hatte bereits vor Erscheinen des ersten Martin-Beck-Romans 1965 Die Tote im Götakanal erfolgreich Krimis veröffentlicht. Unter anderem war er (Sjöwall später auch) Übersetzer den legendären Ed McBain-Krimis, die den beiden Inspiration boten für ihr großes Romanprojekt. Sjöwall und Wahlöö waren bekennende Marxisten und wollten ihre Krimis bewusst als politisches Vehikel benutzen. Beide übten große Kritik an den sozialdemokratischen Regierungen unter Erlander und Palme des vermeintlichen Musterland Schwedens, insbesondere an der Polizeireform 1965. Sie wähnten das Land auf dem Weg in den Faschismus und dagegen wollten sie anschreiben. Dabei brachten sie ihre Kritik und politische Meinung zunächst nur in geringem Maße ein, steigerten dies aber bis zum Ende der Reihe deutlich.

Der Mann, der sich in Luft auflöste ist der zweite Band der Reihe. Das schwierige zweite Buch, „die Hölle eines jeden Autors“, wie die Autorenkollegen Anders Röslund und Börge Hellström in ihrem begeisterten Vorwort meinen. Der Roman tanzt insofern ein wenig aus der Reihe, da er über weite Strecken nicht in Schweden spielt. Die später in der Reihe deutlicher formulierte Gesellschaftskritik kommt hier auch nur in homöopathischen Dosen vor. Im Gegenteil: Die Autoren spielen die ganze Zeit mit den Erwartungen des Lesers, dass sich hier ein politisches Verbrechen verbirgt (Kalter Krieg, Eiserner Vorhang), was sich aber in der gelungenen Auflösung nicht bewahrheiten wird.

Jetzt saß er hier in Budapest mit einem Auftrag, für den er nur mit größter Mühe Interesse aufbringen konnte. (Seite 95)

Was mir an diesem Buch direkt auffiel, war die intensive Beschreibung der Figuren und der Szenen und Schauplätze. Dies ist auf der einen Seite äußerst filigran und gekonnt, sorgte bei mir aber während der Kapitel in Budapest teilweise für eine merkwürdige Stimmung. Es gibt lange Phasen, in denen eigentlich kaum etwas passiert, es fühlt sich ein wenig wie in Zeitlupe an. So wie Beck selbst, ging es mir auch hin und wieder. Bis zu dieser Szene an der Donau.

Als Fazit kann ich mich nicht völlig begeistert zeigen, aber gerade das Ende hat mich positiv versöhnt. Ich kann auch durchaus nachvollziehen, warum diese Figur des Kommissar Beck bis heute ihren Reiz hat und auch fürs Fernsehen adaptiert wurde. Beck und seine Kollegen werden als absolute Normalos präsentiert, ihre Polizeiarbeit ist gründlich und strukturiert. Das wirkt auf den Leser sehr authentisch. Ich werde mir aus Interesse auf jeden Fall auch nochmal einen der älteren Bände vornehmen, in dem Sjöwall und Wahlöö ihre Gesellschaftskritik um einiges deutlicher platziert haben.

 

Rezension und Foto von Gunnar Wolters.

Der Mann, der sich in Luft auflöste |Erstmals erschienen 1966
Die gelesene Ausgabe erschien am 1. Oktober 2008 im Rowohlt Verlag
ISBN 978-3-499-24442-1
234 Seiten | 8.95 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

29. März 2018

Weiterlesen:
50 Jahre Martin Beck auf Deutsch – Eine Hommage von Ulrich Noller | Autorenporträt auf kaliber .38 | Interview mit Maj Sjöwall von Spiegel Online in 2005

 

Diese Rezension erscheint im Rahmen des Mini-Spezials Ein langes Wochenende mit … Schwedenkrimis.

Claudia Rikl | Das Ende des Schweigens

Claudia Rikl | Das Ende des Schweigens

Herzberg ließ mit Daumen und Zeigefinger die Kappe des Filzstifts auf- und zuschnappen. „Warum schneidet man jemandem die Zunge heraus?“, fragte er laut in den Raum. „Wozu braucht man die Zunge?“
Zum Reden. Der Täter wollte, dass Hans Konrad doppelt verstummte. Tatsächlich, durch seinen Tod. Und bildlich. Symbolisch. Weil er zu viel geredet hatte…? (Auszug Seite 276)

Die Journalistin Susanne Ludwig findet die Leiche des NVA-Offiziers Konrad in ihrem Ferienhaus. Michael Herzberg ist der leitende Ermittler der Kriminalpolizei Neubrandenburg, der mit diesem Fall betraut wird. Nach einigen Recherchen findet sich die erste Spur, die mit der Wende zu tun hat. Aber ist das wirklich alles? Als Susanne sich von dem Schock ihrer Entdeckung erholt hat, wittert sie mit diesem Fall die Story ihres Lebens und beginnt sich ebenfalls umzuhören. Was ist damals vorgefallen, dass jemand nach fast dreißig Jahren noch so brutal Rache will?

Leitender Ermittler und Journalistin

Michael Herzberg ist 49 Jahre alt, groß und schlank und verheiratet. Seine Frau Renate sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl. Gerade gibt es in ihrer Ehe einige Differenzen. Herzberg hat vor vielen Jahren zehn Monate im Gefängnis gesessen. Er hat ständig das Bedürfnis, in geschlossenen Räumen ein Fenster zu öffnen.
Susanne Ludwig hat eine kleine Tochter, ist fast geschieden und streitet sich mit ihrem Ex-Mann um das Sorgerecht des Kindes. Außerdem ist sie psychisch labil und hat gerade keine Arbeit. Mit ihrem Artikel im Rahmen des Mordes möchte sie sich ihren Job zurückerobern.

Heimischer Tatort

Das Ende des Schweigens von Claudia Rikl habe ich vor allem lesen wollen, weil der Tatort in Mecklenburg ist und ich dort wohne. Es handelt sich um einen typischen Kriminalroman, bei dem die Ermittlungen im Vordergrund stehen. Die Todesursache des Opfers ist ziemlich grausam, wird aber nicht sehr detailliert und blutig geschildert. Die Geschichte ist in einzelne Tage untergliedert, wodurch es zu recht langen Kapiteln kommt.

Zwei Spuren

Die erste große Spur, die das Ermittlungsteam findet und der sie nachgeht, ist eher unspektakulär. Während des Lesens habe ich gedacht, dass es das jetzt ja wohl nicht wirklich ist. Ist es zum Glück auch nicht, die nächste Spur ist dann wesentlich interessanter und passt eher zu einem Mord nach so vielen Jahren. Es geht hauptsächlich um die Wende und die NVA. Das steht zwar auch auf dem Klappentext, aber hätte ich das vorher gewusst, hätte ich das Buch vermutlich nicht ausgewählt. Im Nachhinein bin ich aber doch froh, dass ich es gelesen habe, da das Thema für mich sehr interessant war.

In der Mitte des Romans entstand meiner Meinung nach eine kleine Flaute, die mit dem Verfolgen der ersten Spur zu tun hat, dennoch liest sich der Text sehr flüssig. Am Ende kommt etwas Fahrt auf, ohne dass ich total „vom Hocker gerissen“ wurde. Im Großen und Ganzen ein solider Krimi.

Claudia Rikl wurde 1972 in Naumburg geboren, ist dort aufgewachsen und hat die Wendezeit als Abiturientin erlebt. Die Zeit der Demonstrationen und überfüllten Kirchen, des Zusammenbruchs und Neubeginns war prägend für sie. Die Juristin und Literaturwissenschaftlerin lebt mit ihrer Familie in Leipzig. Derzeit arbeitet sie am nächsten Fall für Michael Herzberg. (Klappentext)

 

 

Rezension und Foto von Andrea Köster.

Das Ende des Schweigens | Erschienen am 13. März 2018 bei Kindler im Rowohlt Verlag
ISBN 978-346340-685-5
528 Seiten | 14.99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

26. März 2018

Abgehakt | März 2018

Abgehakt | März 2018

Vier neue Kurzbesprechungen von Andrea und Gunnar haben wir heute zum (fast) Abschluss des  ersten Quartals in Abgehakt, Krimis kurz besprochen. Heute mit dabei Titel aus den Genres Krimi, Regionalkrimi, Spannungsroman sowie Thriller.

 

Fred Vargas | Das barmherzige Fallbeil

Zwei scheinbare Selbstmorde werden genauer untersucht, weil sich bei beiden Toten ein undefinierbares Symbol befindet. Nach den ersten Befragungen ergibt sich die erste Spur: eine Island-Reise, bei der nicht alles mit rechten Dingen zuging. Bald kann das Symbol aber doch gedeutet werden – die Zeichnung eines Fallbeils aus der Zeit der französischen Revolution. Welches Motiv steckt hinter den Morden?

Ich werde es nicht erfahren, denn ich habe das Buch nach der Hälfte abgebrochen. Den Anfang der Geschichte fand ich noch sehr vielversprechend, doch die Ermittlungen rund um die Französische Revolution waren für mich sehr langatmig. Außerdem haben meinen Lesefluss die vielen französischen Namen und Bezeichnungen gestört.

 

Das barmherzige Fallbeil | Erschienen am 20. März 2017 als Taschenbuchausgabe im Blanvalet Verlag
ISBN 978-3-373410-416-5
512 Seiten | 10.99 Euro
Bibliographische & Leseprobe

Kategorie: Krimi
Wertung: 1.5 von 5.0

 

Elke Pupke | Tödliches Geheimnis auf Usedom

In Bansin auf Usedom wird eine junge Frau von einem Auto angefahren, der Fahrer begeht Fahrerflucht. Die Frau, Kim, findet Unterschlupf in der Pension „Kehr wieder“, die von den beiden Nichten der 74-jährigen Berta geführt wird. Kurz darauf ist Kim tot und die Taten im Ort reißen nicht ab. Wer wollte Kim loswerden und was hat das mit der ungeklärten Vaterschaft von Kims Tochter Emma zu tun?

Die gesamten „Ermittlungen“ finden in der Pension am Stammtisch statt, nämlich durch Überlegungen und Rekonstruktionen des Tathergangs von Berta, den Angestellten und Gästen. Die Polizei kommt nur ab und zu vorbei und spielt eher die Nebenrolle. Tödliches Geheimnis von Usedom von Elke Pupke ist ein leichter Krimi, der meiner Meinung nach nicht besonders spannend ist und eher so vor sich hin „plätschert“. Trotzdem liest sich die gesamte Geschichte flüssig. Es ist bereits der dritte Fall von Berta, in den vergangenen zwei Jahren ist ebenfalls ein Mord in dem kleinen Ort an der Ostsee passiert. Sympathisch finde ich, dass alle handelnden Personen dem Alkohol nicht abgeneigt sind und es immer einen Grund für ein Gläschen gibt.

 

Tödliches Geheimnis von Usedom | Erschienen am 1. September 2014 im Hinstorff Verlag
ISBN 978-3-35601-884-4
272 Seiten | 12.99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Kategorie: Regionalkrimi
Wertung: 3.0 von 5.0

Rezensionen und Fotos von Andrea Köster.

 

Liza Cody | Krokodile und edle Ziele

Wer erinnert sich noch an das sensationelle Lady Bag? Hier gibt es ein Wiedersehen mit der störrischen und chaotischen Obdachlosen Angela, genannt „Lady Bag“. Sie kommt frisch aus dem Gefängnis frei und manövriert sich direkt in die desaströsesten Situationen. Ihre besten Kumpels Pierre und Schmister, alias Lil Missy, und ihre Hündin Elektra leben bei Pierres neuer Flamme Cherry, einer eiskalten Frau, die absolute Kontrolle ausübt. Außerdem hat die Lady einem Mitgefangen versprochen, dass sie mal nach dem Rechten sieht, wie es ihrem kleinen Sohn Connor bei seiner Großmutter geht.

Der Vorgänger Lady Bag war schon ein irrwitziger, zynischer Spaß mit bissiger Gesellschaftskritik. Und genau da macht Liza Cody in Krokodile und edle Ziele weiter, stürzt ihre Protagonistin in groteske Situationen zwischen Kindesmissbrauch im sozialen Wohnungsbau und Psychoterror im bürgerlichen Mittelschichtshäuschen. Das ergibt vor allem völlig abgefahrene Dialoge, wenn Lady Bag mit und ohne Rotweinnachschub ins Gespräch mit ihrer Hündin, ihrer nicht anwesenden Mutter oder dem Leibhaftigen persönlich (Fürst Fiasko, Prinz der Paranoia, Don des Durcheinanders) tritt. Das knüpft über weite Strecken an den hervorragenden Vorgänger an, allerdings verpasst die Autorin für meinen Geschmack etwas das Momentum fürs richtige Ende, denn im letzten Viertel plätschert der Roman stellenweise etwas vor sich hin. Trotzdem war es insgesamt ein äußerst unterhaltsames Wiedersehen mit Lady B.

 

Krokodile und edle Ziele | Erschienen am 25. September 2017 im Argument Verlag
ISBN 978-3-86754-22-72
432 Seiten | 20.- Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Kategorie: Spannungsroman
Wertung: 3.5 von 5.0

Jesper Stein | Aisha

In einer schicken Wohnanlage im Kopenhagener Stadtteil Amager wird die brutal ermordete Leiche von Sten Høeck gefunden, einem ehemaligen Mitarbeiter des dänischen Geheimdienstes PET. Kommissar Axel Steen bekommt dann auch direkt einen Kollegen vom PET als Aufpasser an die Seite, damit bloß keine Staatsgeheimnisse ans Tageslicht geraten. Zwar war Høeck ein Schürzenjäger und damit ergibt sich durchaus ein Mordmotiv, aber spätestens als die Leiche eines weiteren ehemaligen PET-Mitarbeiters gefunden wird, ist Axel Steen klar, wo die Verbindung zu suchen ist. Doch der Geheimdienst blockt ab.

Eigentlich stimmen die Grundzutaten zu diesem Thriller: Ein brutaler Mord, Geheimdienst-Operationen, Kompetenzgerangel zwischen den Ermittlungsbehörden und die Hauptfigur Axel Steen, die zu Beginn zwar etwas weichgespült wirkt (zumal, wenn man die Vorgängerbände kennt), aber im Laufe des Buches zu alter Form findet. Und doch hat sich bei mir nicht die gleiche Begeisterung wie beispielsweise bei Bedrängnis eingestellt. Das letzte Viertel des Buches bestreitet etwas ausgetretene Pfade, persönliche Betroffenheit des Ermittlers und Alleingang inklusive. Auch der Täter bleibt sehr im Vagen. Aber ganz zum Schluss bietet Jesper Stein noch eine interessante Pointe, die für den Weitergang der Reihe einiges an Reiz verspricht. So werde ich Axel Steen wohl auch in Zukunft weiterverfolgen.

 

Aisha | Erschienen am 26. Januar 2018 im Verlag Kiepenheuer & Witsch
ISBN 978-3-462-05078-3
560 Seiten | 9.99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseprobe

Kategorie: Thriller
Wertung: 3.0 von 5.0

Rezensionen und Fotos von Gunnar Wolters.

 

Weiterlesen: Abgehakt September 2017 und Abgehakt Dezember 2017, außerdem Gunnars Rezensionen zu Liza Codys Romanen Lady Bag und Miss Terry

24. März 2018

Tess Gerritsen | Blutzeuge

Tess Gerritsen | Blutzeuge

Im winterlich kalten Boston geht anscheinend ein Serienmörder um. Jane Rizzoli und Maura Isles stehen allerdings zunächst vor einem Rätsel, da die einzige Verbindung zwischen den beiden Toten deren Mageninhalt – Alkohol und Ketamin – ist, sowie die Tatsache. dass bei beiden die Todesursache nicht ohne weiteres ersichtlich ist. Allerdings hat der Mörder an jeder Leiche ein Zeichen hinterlassen. Bei Cassandra Coyle, der ersten Leiche, aufgefunden von ihrem Vater in ihrer Wohnung auf dem Bett, wurden die Augäpfel entfernt und ihr in ihre linke Hand gelegt. Die zweite Leiche, Timothy McDougal, wurde an Heiligabend im Bostoner Hafen aufgefunden, mit nacktem Oberkörper, der von drei Pfeilen durchbohrt wurde. Die Verstümmelungen wurde jeweils nach dem Tod vorgenommen.

Bei Cassandra Coyle lag zunächst ein Motiv im Zusammenhang mit ihrem Beruf (Drehbuchschreiberin und Produktionsleiterin von Horrorfilmen) nahe, der zweite Tote, ein Buchhalter, hatte allerdings keinen Kontakt mit Cassandra, es muss also ein anderes Motiv geben. Maura stößt dann jedoch auf etwas, das zunächst abwegig erscheint: die Verstümmelungen der Opfer weisen auf die Todesart der Märtyrer hin, deren Gedenktag auf den Geburtstag des jeweiligen Opfers fällt

Maura schob die Papiere zusammen. „Wir müssen etwas finden, was diese Opfer gemeinsam hatten. Etwas, was sie beide in Kontakt mit dem Mörder brachte.“ Sie legte die Tatortfotos von Timothy McDougal in eine Mappe und wollte gerade den Deckel zuklappen, als sie innehielt und das Foto anstarrte. Eine Erinnerung tauchte plötzlich auf, die Erinnerung an Sonnenlicht, das durch leuchtende Buntglasfenster fiel. „Was ist?“ fragte Jane. Maura gab keine Antwort. Sie nahm ein Foto von Cassandra Coyles Leiche aus der Mappe und legte es neben das von Timothy McDougal. Zwei verschiedene Opfer, das eine ein Mann, das andere eine Frau. Der Mann von mehreren Pfeilen durchbohrt, die Frau ihrer Augäpfel beraubt. „Ich kann nicht glauben, dass ich es nicht erkannt habe“, sagte sie. (Seite 141)

Maura liegt tatsächlich richtig, der komplette Zusammenhang erschließt sich allerdings erst so nach und nach im Verlauf der weiteren Ermittlungen, in denen auch eine weitere Person, Holly Devine, die beide Opfer aus ihrer Kindheit kennt, eine Rolle spielt. Bis Jane und Maura den Fall komplett gelöst haben, müssen sie allerdings des öfteren ihre Sichtweise des Falles an die neuesten Ermittlungsergebnisse anpassen. Die Auflösung kommt (auch für den Leser) überraschend daher.

Tess Gerritsen hat auch in diesem Buch wieder bewiesen, dass sie einen Plot lebendig gestalten kann, mit Gespür für psychologisch aufgebaute Spannung, angereichert mit medizinischen Details, die zur Handlung passen, ohne ausschweifend zu sein und auch immer mal mit einem Augenzwinkern bei den Schilderungen aus dem Privatleben von Jane Rizzoli. Erwähnenswert ist auch ihr in die Handlung eingebautes Statement gegen Vorverurteilungen bei Missbrauchsverdacht von Kindern. Was hier tatsächlich durch Fehldeutungen von Aussagen oder deren Herbeiführung durch Manipulation angerichtet werden kann, ist ja auch durch diverse Pressemitteilungen in den letzten Jahren bekannt geworden. Raffiniert auch die Sache mit dem Zusammenhang von Märtyrer-Toden mit den aufgefundenen Opfern, was der Autorin auch dazu dient, die beiden Ermittlerinnen zunächst in einem weiteren Fall in die Irre zu führen.

Mein Fazit: Einfallsreicher Plot, Spannung bis zum Schluss! Bücher von Tess Gerritsen sind schon etwas Besonderes und unbedingt empfehlenswert für Liebhaber von Thrillern.

Geboren wurde Tess Gerritsen 1953 in San Diego, Kalifornien, wo sie auch aufwuchs. Nach ihrem Medizinstudium (Examen 1979) arbeitete sie zunächst als Internistin in Honolulu, bevor sie mit dem Schreiben begann. Ihren Durchbruch hatte sie 1996 mit dem Thriller Kalte Herzen. Die Fernsehserie Rizzoli & Isles basiert auf ihren ab 2004 geschriebenen Romanen um die Kriminalbeamtin Jane Rizzole und die Gerichtsmedizinerin Maura Isles. Es wurden sieben Staffeln gedreht.

 

Rezension und Foto von Monika Röhrig.

Blutzeuge | Erschienen am 20. November 2017 bei Limes
ISBN 978-3-8090-2638-9
409 Seiten | 19.99 Euro
Bibliographische Angaben & Leseproben

21. März 2018